laut.de-Kritik
Diese News bringen euch zuverlässig durch den Tag.
Review von Jakob HertlEs gibt Tage, da scrolle ich durch die Tagesschau-App, lese Nachrichten von wahnsinnigen Diktatoren, wahnsinnig nervigen Klimaleugnern, wahnsinnig peinlichen Fußballniederlagen und wahnsinnig schlechtem Wetter. Wahnsinnig beschissene Nachrichten eben. Dann denke ich, bevor ich auch noch wahnsinnig werde, mache ich mir lieber die einzigen News an, die mir immer zuverlässig gute Laune bereiten: die von Huey Lewis.
Man kann kaum über Pop und Rock der 80er-Jahre reden, ohne Huey Lewis & The News zu erwähnen. Eine Band, die einen Meilenstein verdient hat – nicht nur für Hueys sympathische Art und seinen schrägen Humor, die weirden Musikvideos und den allgemeinen Impact der Band in der Popkultur. Sondern in erster Linie für ihre Musik: zu loben ist neben dem 1983er Album "Sports" ganz besonders der vierte Longplayer "Fore!" von 1986.
Angefangen bei "Stuck With You", der ersten Vorabsingle des Albums. Die sommerlichen Sounds von Gitarrist Chris Hayes, die soften Background-Vocals, das Organ-Solo von Sean Hopper und das selten komische Musikvideo – einfach alles an dem Track zaubert direkt ein Lächeln auf's Gesicht. Ähnliches gilt für "Jacob's Ladder" und "Whole Lotta Lovin'". Auch die Schnulz-Ballade "Doing It All For My Baby" passt in den typischen 80s-Popsound und mag für viele Menschen wenig einzigartig klingen.
Was aber alle Songs gemeinsam haben, ist was Huey Lewis & The News so großartig machte. Es ist Musik, die das Rad nicht neu erfindet, die nicht super komplex ist, sondern die nach bestimmten Mustern funktioniert. Aber sie funktioniert aus dem simplen Grund, dass sie Spaß macht und trotz aller Normalität immer ein Quäntchen Außergewöhnlichkeit beinhaltet. Mal in den Lyrics, mal in der Instrumentalisierung, mal in den tollen Vocals von Lewis.
Der Überhit auf "Fore!" ist natürlich "Hip To Be Square". Ein Chartstürmer, über den man so viele Geschichten erzählen kann. Die Backingvocals etwa stammen von einer Riege aus Footballspielern wie Joe Montana von den 49ers aus Huey Lewis' früherer Wahlheimat San Francisco. Das Saxophon-Solo steuerte Stephen "Doc" Kupka bei, Gründungsmitglied von Tower of Power. Er, Emilio Castillo und weitere Kollegen der Soul-Band bilden auf mehreren Songs von "Fore!" die Bläser-Sektion. Wie passend, dass Tower of Power auf ihrem Debütalbum 1973 noch fragten: "What Is Hip?"
Noch größere Berühmtheit erlangte "Hip To Be Square" mit dem Film "American Psycho". Die Szene, in der Christian Bale Jared Leto zu fröhlicher Popmusik mit einer Axt abschlachtet, kriegt man schließlich nicht so schnell aus dem Kopf. Wieso der Song auf eine unfassbar zynische Art und Weise so gut in die Szene passt, hat Kollege Leier hier erklärt.
In einem Rolling Stone-Interview erzählte Lewis übrigens, den Film nie komplett gesehen zu haben. Nachdem er ablehnte hatte, dass "Hip To Be Square" auf dem offiziellen Film-Soundtrack erscheint, wurde ihm in einer Pressemitteilung unterstellt, er habe dies nur getan, weil der Film ihm zu gewalttätig sei. Daraufhin boykottierte Lewis den Film. Die Szene fand er trotzdem großartig und ganz sicher nicht zu gewalttätig – im Gegenteil: als ihn die Comedy-Videowebsite "Funny or Die" anfragte, die Szene zusammen mit Weird Al Yankovic nachzustellen, hatte er nur eine Forderung: "Es muss noch blutiger sein."
Über die Bedeutung des Songs selbst wird bis heute diskutiert. Für viele Leute passte die Message "It's Hip To Be Square" (also spießig und anständig) ins brave Erscheinungsbild von Huey Lewis & The News, die bis heute mit dem Begriff "Yuppie Rock" in Verbindung gebracht werden. Tatsächlich wollte Lewis aber eben diese Einstellung aufs Korn nehmen. Ursprünglich schrieb er den Song in der dritten Person. "Es geht um das Phänomen, dass die Leute aus den 60ern anfingen, [...] sich die Haare zu schneiden, Sport zu treiben und all den Mist", erzählte er in einem Interview bei Entertainment Weekly. Ein ironischer Witz, den nicht jeder damals verstand.
Abgesehen von all diesen Anekdoten ist "Hip To Be Square" musikalisch einfach ein Pop-Meisterwerk mit ähnlichem Ohrwurm-Potenzial wie bereits "The Power Of Love" und bildet zur Mitte des Albums den perfekten Höhepunkt. "I Know What I Like" und "I Never Walk Alone" lassen die gute Laune im Anschluss noch ein bisschen nachhallen und geben starke Bryan Adams-Vibes.
Etwas ernster wird es dann auf "Forest For The Trees", das von Suizid und Hoffnung in dunklen Zeiten handelt und sich unter dem Radar als einer der inhaltlich besten Tracks der Platte entpuppt. Musikalisch lässt die zweite Hälfte von "Fore!" zugegeben ein wenig nach, mit Songs wie dem soliden Acapella-Werk "Naturally" ist aber für Abwechslung gesorgt. Und den Abschluss macht "Simple As That" – wenig spektakulär, dank der angesprochenen Bläser aber einfach wunderschön anzuhören und harmonisch. Er entlässt einen mit guter Laune und mehr braucht es nicht, it's as simple as that.
Besser kann man das gesamte Album sowieso nicht zusammenfassen. Der Titel "Fore!" ist übrigens ein Begriff aus der Welt des Golfs und wird gerufen, wenn man sich besser wegducken sollte, weil ein Golfball angeflogen kommt. Wenn also das nächste Mal beim Scrollen in der Tagesschau-App die schlechten Nachrichten angeflogen kommen und ihr euch einfach mal für einen kurzen Moment vor den Sorgen des Alltags wegducken wollt, macht es wie ich: schaltet die Nachrichten aus und die News an.
In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.
6 Kommentare mit 5 Antworten
Ich trau mich nicht, das Album zu kommentieren, weil ich Huey im persönlichen Kontakt sehr mochte. Sympathischer Dude!
Und warum traust du dich nicht?
er muss ja unterbringen im persönlichen Kontakt gewesen zu sein.
Nicht übel, hätte aber doch eher Sports als Meilenstein genommen.
Ich auch.
jo; es geht in dieser Frage nur darum: Sports oder Fore!; ich bin auch für Sports.
Ganz eindeutig SPORTS!!!
Huey Lewis ist einfach eine coole Socke und ich fand die Band auch live eine Wucht.
Letztens erst wieder aus dem Plattenschrank gezogen. Nicht die stärkste Platte, aber dennoch stark!
Gegenmeinung: habe die mal live gesehen und war super enttäuscht, weil die gar nicht dem inneren Bild aus dem Back to the Future Film (jugendlich, frech rockig) entsprachen. War dann eher so Sekretärinnen und alte Männer Mucke, und gefühlt viel langsamer als aufm Album. In dem Sinne ist die Musik schon o.k., aber die Live-Erfahrung war ernüchternd. Der Herr war ja schon nicht mehr der jüngste, als er den Durchbruch hatte.
die Tagesschau App installiert zu haben finde ich übrigens auch uncool