laut.de-Kritik
Ein schwarzes Loch, einfach nur asozial.
Review von Alex KlugScheiße! Da fristet du ein halbes Jahrzehnt lang dein Dasein als sprachlich bestenfalls mittelmäßig bewanderter Heavy Metal-Redakteur und hast natürlich schon nach wenigen Jahren sämtliche Härte-Allegorien von "Dampfwalze" bis "Schädelspalter" verballert. Und dann erscheint 2019 eines der brutalsten Alben aller Zeiten. Was tust du? Klar, du gibst dein Bestes.
Denn genau das haben Humanity's Last Breath mit "Abyssal" ja auch getan. Als einer der endlosen Namen am Rande der längst überfluteten Djent-Szene rangierte das schwedische Projekt in den letzten Jahren meist noch unter "ferner liefen". Multi-Instrumentalist und Bandkopf Buster Odeholm trommelt nebenbei bei Vildhjarta, was seinem eigentlichen Baby schnell den Stempel "Nebenprojekt" einbrachte. Dieses Gerücht dürfte nun aber endgültig passé sein.
Ja, nein, ehrlich: "Abyssal" ist womöglich eines der härtesten Alben aller Zeiten. Härter als ein Gros der Stoner-Doom-Meilensteile, härter als die Abneigung jedes True-Metallers gegen Deathcore. Denn in genau diesem sind Humanity's Last Breath soundtechnisch zunächst einmal verwurzelt. Anders als erfolgreiche Szene-Kollegen lassen sie beim Thema "melodische Hooks" aber gerne einmal den Geizhals raushängen. Stattdessen konstruieren sie – wie schon Vildhjarta – einen fiesen, aber unverfälschten Klon aus Death Metal und Djent. Nur mutiert der auf dieser Platte zum grenzdebilen Bösewicht.
"Abyssal" beinhaltet etwa Pinch-Harmonics, die einfach nur noch ekelhaft sind. Ekelhaft tief, ekelhaft geil. Klänge wie vom Schlachthof ("Abyssal Mouth"). Den Sound prägen außerdem die gelegentlich durch Phaser geschliffenen Growls von Sänger Filip Danielsson, ein paar wohl dosierte Chöre, Cleans und Breakdowns und vor allem die ziemliche präzise Schlagzeug- und Gitarrenarbeit. Blackig durchgeriffte Tracks ("För Sorg"), verkopfte Djent-Momente ("Pulsating Black"), dann wieder typische Ruhepausen, die Platz für den nächsten Genickschlag machen. Der kommt gewiss.
Ja, ja, klar, natürlich stecken dahinter eine ganze Menge Studiofertigkeiten. Digitalamps, aktive Tonabnehmer, am Ende aber auch eben alles längst Szene-Standard. Abenteuerlich erscheinen dabei eher die Tunings, die das Riffing teils schon in den Bereich der Subbässe treiben ("Like Flies"). Keine Frage: Das Album klingt durch und durch steril.
Alles andere wäre aber auch eine Schande, sind es doch gerade die bereits genannten Pinch-Harmonics, die in ihrer Neuartigkeit fiese Industrial-Assoziationen wecken. Wo andere Kollegen künstlichen Druck über Bassdrops erzeugen müssen, bringen Humanity's Last Breath nur mit Gitarre, Bass und Drums ganze Studiofundamente zum Einsturz. (Wie bereits gesagt: Die Metaphern sind erschöpft.)
Es ist schon eine ganze Weile her, dass Death Metal so böse war. Gerade auch auf der Bühne, wo sich Humanity's Last Breath noch eine ganze Ecke stärker positionieren. Man hat diese wenigen Momente vor Augen, diese Bands, die den nächsten Schritt Richtung schmerzlicher Härte machten: Bongripper sind so ein Beispiel, Dragged Into Sunlight ein anderes. Humanity's Last Breath trumpfen mit genau derselben Boshaftigkeit, mit derselben grenzenlosen Asozialität. Zusätzlich prallt das unkontrollierbare Chaos der oben genannten Vertreter hier aber auf die technische Finesse (und den Größenwahn) von nicht gerade bodenständigen Tech-Death-Kollegen wie The Faceless.
Am Ende des Tages geht es eben nicht nur ums Gekloppe. Es geht um ein Album, das das schwarze Loch nicht nur öffnet, sondern eben auch über volle 46 Minuten sperrangelweit geöffnet hält und uns für eine kurze Zeit in den Abgrund blicken lässt. Uns mit Dauergrinsen ein ums andere Mal eins in die Visage bügelt. Aber eben mit Köpfchen.
Stumpf sind andere. Humanity's Last Breath sind einfach nur asozial.
4 Kommentare
Starkes Album, definitiv, auch wenn es für mich eher 4/5 sind. Was mich als einziges wirklich stört, sind die blastbeats: die sind im Vergleich zum restlichen Schlagzeug immer vergleichsweise drucklos (auf der snare).
Das ganze geht eindeutig über die Grenzen von djent, deathcore und death metal hinaus - im Internet manifestiert sich da die Genre Bezeichnung "Thall" (ich glaube benannt nach dem Label, das solcherlei Bands unter Vertrag hat) . Interessierten kann ich die (one-man-) Band "Fractalized" empfehlen. Ist instrumental, deutlich tiefer und grooviger und in einer Playlist fast schon meditativ. Klingt dann so: https://youtu.be/8nxN2x3_xsI
Geile review übrigens, musste schmunzeln angesichts des struggles immer neue Superlative zu finden
"Ein schwarzes Loch, einfach nur asozial." ich habe zuerst nur das gelesen und hätte tatsächlich 4/5 geben. als allerdings mehr von der rezi gelesen habe, war ich bei 1/5 für die bewertung und 2/5 für das album...
Oh, die hatte ich bisher noch gar nicht auf meinem Schirm. Klingen nicht verkehrt. Die Superlative in der Rezension sind aber vielleicht etwas hoch gegriffen...
"Was mich als einziges wirklich stört, sind die blastbeats: die sind im Vergleich zum restlichen Schlagzeug immer vergleichsweise drucklos (auf der snare)."
Da stimme ich zu. Die Blastbeats könnten druckvoller sein.
Dieser Kommentar wurde wegen eines Verstoßes gegen die Hausordnung durch einen laut.de-Moderator entfernt.