laut.de-Kritik
Auf Augenhöhe mit Moderat und Trentemøller.
Review von Michael SchuhVier Jahre lagen zwischen dem verspielten Hundreds-Debüt und dem Nachfolger "Aftermath", eine Zeitspanne, die man dem Resultat deutlich anhörte. Die intensive Pop Noir-Delikatesse, die Hundreds 2014 verabreichten, hatte ihnen in dieser überzeugenden Ausprägung wohl niemand zugetraut. Der verdiente Erfolg kam postwendend: Die anschließende Tournee fand vor ausverkauften Häusern statt.
Mit "Wilderness" folgt das dritte Studioalbum nach nur zwei Jahren und fast möchte man ihnen zurufen: Was? Gemach! Doch nicht so schnell! Denn wie wollen Eva und Philipp Milner "Aftermath" nach so kurzer Auszeit toppen, dieses "Neon Golden" ihrer jungen Karriere? Notwist selbst haben sich danach ja auch sechs Jahre Zeit gelassen.
Aufsteigende Panikschübe verschwinden mit den ersten Sekunden von "Wilderness" so schnell wie sie gekommen sind. Der fast sechsminütige Opener ist eine Art kleine Schwester des Monster-Songs "Aftermath": Philipp lädt ein sehr reduziertes, tiefschwarzes Synthie-Arrangement nach und nach mit einer barocken Schwere auf, Evas entrückter Chorgesang verstärkt die kribbelnd-düstere Atmosphäre, bevor Soundschleifen, sich in Zeitlupe ausdehnende Pianoakkorde und Breaks die Spannung im Stile eines Massive Attack-Tracks steigen lässt.
"Bearer & Dancer" nimmt den Art-Pop-Faden auf, nähert sich aber wieder gängigen Song-Schemata, wenngleich der knallende Galeerenbeat den eisigen Nachhall des Einstiegs bildet. Ist das wirklich dieser seit Jahren aufgrund von hängen gebliebenen Acts wie De/Vision in Verruf geratene deutsche Synthiepop? Genau der, allerdings hebt vorliegendes Gesamtpaket aus Soundauswahl, Komposition und Darbietung die Hamburger 2016 endgültig auf das Level von Künstlern wie Moderat, Trentemöller oder Jon Hopkins.
"Un-Unify" lässt wieder eine unwiderstehliche Pop-Hook von der Leine, die höchstens vom noch vortrefflicheren Single-Kandidaten "Spotless" eingeholt wird. Diese Balance aus schwer assoziativer Collagenhaftigkeit und federleichter Downtempo-Melancholie, die "Wilderness" prägt, ist mittlerweile zu einem Markenzeichen der Band geworden.
Das narkotische, über sechs Minuten lange "Black Sea" lotet noch mal alle Emotionsebenen aus und steigert sich nach leisem Beginn in ein furioses Finale, bevor das wehmütige "Wind In The Pines" ein letztes Mal die große Soundgeste ausfährt. "Take It Down" und "Picking Pieces" beenden das Album in betont introvertiertem Ton fast schon unspektakulär. Eben so bescheiden, wie Hundreds seit Jahren in der Öffentlichkeit auftreten, dabei aber mit einem Talent gesegnet, das die steigende Nachfrage aus dem Ausland mehr als rechtfertigt.
2 Kommentare
Mochte den Vorgänger. Wird angecheckt
Tolle atmosphärische Klänge.