laut.de-Kritik
Wer die Geschichte beherrscht, dem gehört die Zukunft.
Review von Matthias MantheDer Klischee-Herbst zum Selberbasteln hat Hochsaison. Warum also morgendliche Nebelschwaden und nachmittägliche Farbenpracht nicht am Abend durch iLiKETRAiNS im Ohr verzuckern? Die Post-Goths aus Leeds sind gekommen, um dem finalen Spätsommer sein allerletztes Geleit zu geben. Nach dem '06er-Mini-Album "Progress Reform" zelebrieren sie ihre mollesken wie hochartifiziell ausgestalteten Depressionen nun auf voller Länge.
Um den Body Count in schwindelnde Höhen zu treiben, kettet das Quintett seine bleischweren Erzählungen von Pest, Tod und Verderben jederfrau und jedermann ans Dunkelherz. Hintenrum ertrinken die Reverbgitarren in weitschweifiger Tristesse, ohne sich recht zwischen Explosions In The Sky und Shoegazer zu entscheiden; vorne croont Sänger und Cheflyriker David Martin mit den Sparringpartnern Sivert Høyem, Nick Cave und Paul Banks um die Wette. Dass es iLiKETRAiNS' Alternative Rock trotz 90er-Revival nicht ganz aufs Siegertreppchen schafft, liegt an zwei Stolpersteinen.
Zum einen besitzen die elf miteinander verwobenen Graustufen kaum markante Unterscheidungsmerkmale. Alle erblühen sie aus introspektiver Stille zu voller Pathosrock-Größe mit Blas- und Streichsektion. Ein kleiner Lichtblick wäre hier wünschenswert gewesen. Zum anderen lassen die geschichtsträchtigen Verse, etwa über das Große Feuer von London 1666, merkwürdig kalt.
Martin gefällt sich nämlich etwas zu sehr in der Rolle eines apokalyptischen Apologeten. Mit erhobenem Zeigefinger weist er die Weltmenschheit auf das Prinzip 'History Repeating' hin, was ihn manchmal zur Parodie seiner Selbst macht. Strange Death Of Liberal England beherrschen das besser. Klare Genre-Empfehlung dennoch für der Gruft entwachsenen Melancholiker, die auch mit dem Constellation-Rooster vertraut sind.
1 Kommentar
kann absolut nicht verstehen, wie diese scheibe nur 3 punkte bekommen konnte...
auch 2009 noch eine starke scheibe