laut.de-Kritik

Die Klassik-Boygroup verabreicht Oma ihre Herztropfen.

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Die Adventstage rücken näher. Sonnenstrahlen machen sich rar, und ein gefürchteter Geselle treibt jetzt sein alljährliches Unwesen: Der Musik-Nikolaus, den Beutel prall gefüllt mit den Weihnachtsgaben der Musikindustrie. Nun ist "Ancora" von Il Divo nicht unbedingt speziell auf das heilige Fest ausgerichtet, aber Titel wie "Ave Maria" oder "A Holy Night" zielen schon in diese Richtung. Kein Wunder also, dass die multikulturellen Sängerknaben einen Platz im Sack des altgedienten Adventsknechtes gefunden haben.

Smart kommen sie ja rüber, die für die Booklet-Fotos in edles Tuch gehüllten vier schicken Jungs. Singen können sie ganz ordentlich, und das stellt auch nicht das Hauptproblem dar, sondern eher die Songauswahl samt Arrangementarbeit: Es handelt sich - bis auf wenige Ausnahmen - wieder einmal um hinreichend bekannte Standards aus der Popgeschichte, klebrig hineingepackt in ereignislose Standart-Orchestrierung samt Verbrämung als Klassik-Sound-Pralinenmischung.

Das Cover von Mariah Careys Schmachtfetzen "Hero" gewinnt - hier als "Heroe" betitelt - auch nicht entscheidend an Klasse dazu. Hernach schmachten sie wehklagend eine "Isabel" an, bevor schon beim dritten Song "I Believe In You" endgültig alles den Bach 'runtergeht, wenn die kanadische Hobby-Streisand Celine Dion in der sämigen Partie rumrührt. Das Ergebnis ist eine lustlose Klassikpop-Seifenblase, die statt nachhaltig im Gedächtnis zu schillern, schon während des Hörens zerplatzt.

Das größte Manko aller elf Titel stellt der allzu oft immergleiche Aufbau der Stücke dar. Die spartanisch-zurückgenommenen Klimperpiano-Intros übergießt der jeweilige Vorsänger mit unangenehm fieselndem Eros Ramazzotti-Schmelz. Die weiteren Stimmen fallen ein, und nach betulichen Zwischenteilen streben die Songs dann ihrem abgeschmackten Bombasthöhepunkt im letzten Songdrittel entgegen. Teilweise fällt so manches in eine Art nostalgisches Rudi Schuricke-Ambiente, und die Erwartung steigt, dass bei dieser Sammlung tatsächlich noch die "Caprifischer" um die Ecke gesegelt kommen. Die tauchen dann zwar doch nicht auf, aber die Platte säuft auch so von alleine ab.

"O Holy Night" ist eine freie Bearbeitung von "Stille Nacht" und lockt mit fantastischen Zeilen wie: "Fall on your Knees, oh hear the angel voices", unterlegt mit den unvermeidlichen Weihnachts-Knabenchören im Hintergrund. Anderswo kommt eine handzahme spanische Gitarre samt den handelsüblichen Kastagnetten zum Klischee-Einsatz. Pavarotti und Freunde, die vier jungen Tenöre und Enrico Caruso feat. Max Raabe lassen also herzlich grüßen. Die waren in der Vergangenheit natürlich ebenfalls nicht ausschließlich geschmackssicher, haben aber immerhin erheblich bessere Momente vorzuweisen.

Darf man Il Divo als Klassik-Boygroup bezeichnen? Einer der Produzenten ist Steve Mac - und der produziert auch Westlife. Vielleicht einer der Gründe, warum der ganze Kram in so einem lieblosen Einheitsbrei versinkt. Pompös und plüschig orchestriert verschrecken die vier Beaus damit sogar das leidgeprüfte Phantom der Oper. Il Divo bedeutet soviel wie "göttlicher Künstler" oder "männliche Diva". Diese Plätze auf dem Musik-Olymp sind aber schon mit Robbie Williams uneinholbar besetzt, und der wird sich auch einer vierstimmigen Hydra sicher zu erwehren wissen.

Bringt dieses Album tatsächlich der echte, gutherzige, geschmackssichere Musik-Nikolaus? Oder verbirgt sich unter seiner Verkleidung diesmal gar Krusty, der Clown, der hier mit bösem Schabernack um sich wirft? Nun, ganz so schlimm kommt es dann doch nicht. Zu den Feiertagen im Hintergrund eingesetzt, sorgt "Ancora" ganz sicher dafür, dass Oma ihre Herztropfen unangetastet lässt. Und alle hartgesottenen Harmoniefetischisten kommen bei den vier aparten Singschönheiten selbstredend auch auf ihre Kosten.

Trackliste

  1. 1. Hero
  2. 2. Isabel (Spanish)
  3. 3. I Believe In You
  4. 4. Unchained Melody
  5. 5. Si Tu Me Amas
  6. 6. Ave Maria
  7. 7. Until The Day
  8. 8. All By Myself
  9. 9. En Aranjuez Con Tu Amor
  10. 10. Pour Que Tu M'aimes Encore
  11. 11. O Holy Night

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