laut.de-Kritik
Woher rührt eigentlich der Irrglaube, Dub sei Sommermusik?
Review von Dani FrommZeitreise gestattet? Meine allererste bewusste Begegnung mit Dub-Reggae bescherte mir im Jahre 1997 eine Universal-Egg-Labelparty. Zion Train spielten da, ISM, Jah Free ... Man schrieb den 2. Dezember. Unwesentlich später - diesmal mein allererster Ausflug in die wunderbare, gruselige Welt des Tourmanagements. Unterwegs mit Universal Eggs Jah Free und Vibronics. Tourneeauftakt in der Ulmer Kradhalle. Es war saukalt.
Fünfzehn Jahre gingen seitdem ins Land und mühten sich redlich, Erinnerungen zu verschütten. "The wibbly wobbly world of music" jedoch, die sich mir einst eröffnete, schwingt immer noch nach. Nach schier unfassbar langer Zeit flattert wieder eine Platte aus dem Hause Universal Egg ins Haus. Vor dem Fenster schneit es. Woher rührt eigentlich der Irrglaube, Dub sei Sommermusik?
Was die Herren vom Ital Noiz Dubsystem abliefern, taugt ganz im Gegenteil, tatsächlich hervorragend zur Beschallung des "Everyday Jungle", Flashbacks garantiert. "Bass culture from Roma" geht als Qualitätssiegel durch, auch wenn man musikalische Revolutionen besser nicht erwarten sollte.
Urvertrauen schürende Basslinien schummern um die Knöchel und von da aus direkt weiter ins Unterbewusstsein. Es wabert, quakt, tropft, pumpt und fiept, wie damals, Ende der 90er. Hall- und Echo-Effekte durchmessen die unendlichen Weiten. Aus dem Off weht der charakteristische Klang einer Melodica herüber. Es fühlt sich an, wie nach Hause kommen: "You gotta skank to the rhythm, you got no choice."
Dabei präsentieren sich die Herren Ferrante und Morrone durchaus aufgeschlossen. Den Titelträck prägen ein orientalischer Einschlag sowie seine Nähe zum Drum'n'Bass. Letztere zeigen auch "Cuando Llega" oder "Ganja Smoke", eine Adaptation eines Ward 21-Tunes. Die Idee, Nirvanas "Come As You Are" zu verdubben: ganz lustig. Die Umsetzung kommt allerdings - wie viele Mash-Ups - über den Ah-Effekt beim Erkennen der Vorlage kaum hinaus.
Gelungen dagegen "Five", das mit Versatzstücken der sattsam vertrauten Jazz-Nummer "Take Five" spielt und gegen Ende noch ordentlich Fahrt aufnimmt. Besinnlicher, träumerischer geht es in "Choose Right" zu. "Lady Dub" agiert vollends wie in Zeitlupe. Auch "Relax" predigt gegen die allgegenwärtige babylonische Hektik an: "When you got what you need freeze and take a rest."
Sogar die Themen sind über die Jahre die gleichen geblieben - wie tatsächlich ja auch die Probleme, nicht nur in Italien. Ital Noiz sprechen sich unverblümt gegen korrupte Beamte und Politiker aus ("Too Much"), fordern: "Wake Up And Reclaim!" Das Ziel: "peace and justice fi di next generation", zu erreichen - richtig erkannt - via "hope", nachhaltiger aber per "education".
Es mag ein bisschen angestaubt wirken, aber im Grunde befeuern Ital Noize doch einen zeitlosen, durchaus positiven Widerstandsgedanken: "Me give bass fi di mass to dance fi resistance."
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