laut.de-Kritik
Es gibt einen neuen Spitter in der Stadt.
Review von Yannik GölzEs hat eine Weile gedauert, bis J.I.D tatsächlich mal so etwas wie Momentum aufgebaut hat. Aber es dürfte die Nominierung als einer der XXL Freshmen 2018 gewesen sein, in der er erstmals die Aufmerksamkeit einer größeren Öffentlichkeit auf sich zieht. J.I.D. ist der Spitter, der technische MC der Gruppe, was nicht nur die vage Reputation, sondern auch sein beeindruckender Freestyle untermauern.
Vom etwas profillosen J. Cole-Schützling über ein starkes, Kendrick-eskes Debütprojekt "The Never Story" bis hierher: "DiCaprio 2" könnte seine Chance sein, sich dauerhaft als eines der frischen Talente am Raphimmel zu etablieren. Die Taktik? Das, was ihm schon in der Cypher das positivste Feedback einbrachte: Auf "DiCaprio 2" rappt J.I.D, als würde sein Leben davon abhängen.
Auch wenn da noch andere Qualitäten zu finden sind, bleibt das die markanteste Eigenschaft des Mixtapes. "Off Deez", "151 Rum" und "Mounted Up" sind Flow-Achterbahnen, auf denen J.I.D über Florida-eske Trap-Kracher sein Handwerk ausbreitet. Er rappt schnell, aber nicht im Stile eines Tech N9nes oder schon gar nicht wie ein Logic oder Eminem. Das Tempo ist kein reines Muskelspiel, es fühlt sich natürlich und stimmig an, besonders wenn es genutzt wird, um halsbrecherische Pattern aufs Parkett zu legen.
Es gibt vermutlich in der Welle der aktuellen Newcomer niemanden, der mehr Silben pro Zeile rappt als J.I.D. Dass das trotzdem niemals nach Masturbation klingt, ist erfreulich, denn gerade unter selbsternannten Technikern wird der Exzess ja gerne mal zum Selbstzweck. Die Instrumentals unterstützen diese Tendenz. Auch wenn "The Never Story" mitnichten ein schlechtes Projekt war, ist es doch schön zu hören, dass J.I.D nicht mehr mit aller Gewalt Kendrick Lamar sein will.
Stattdessen klingt seine markant nasale Stimme und deren weirde Manipulationen eher wie ein Prime-Lil Wayne. Und auch, wenn basslastiger Trap, irgendwo zwischen Denzel Curry und Run The Jewels, zumeist die Lage dominiert, schleicht sich zumindest im Mittelteil wieder ein guter Schlag Soul und Gospel ein. "Workin Out" und der Anti-Drogen-Song "Off Da Zoinkys" etablieren diese Phase mit verspielten Piano-Samples, "Tiiied" mit 6lack und Ella Mai begeben sich dann gänzlich in R'n'B-Gefilde.
Dass J.I.D auch gesanglich durchaus mithalten kann, beweist er in dieser melodischen Facette des Projekts. Seine Vocals bleiben vielseitig und frisch, nicht nur, weil er etwa dreißig Flows pro Verse verwendet, sondern auch, weil er nie müde wird, mit Akzenten und Gesangspattern zu experimentieren. "Skrawberries" mit BJ The Chicago Kid ist ein emotionales musikalisches Highlight, das prompt darauf von "Hot Box" abgelöst wird, einem 90er-Stoner-Anthem straight von der Ostküste mit Method Man und Joey Bada$$. Die Kohärenz bleibt ein wenig fragwürdig, die Qualität aber außer Frage.
Im Grunde ist "DiCaprio 2" so etwas wie die Blaupause eines Mixtapes. Auch wenn hitverdächtige Standout-Singles fehlen, sind die Performances von J.I.D zu gut, um sie zu ignorieren. Es ist eine musikalische Feldübung, die ihr Potential hoffentlich bald in etwas Konzeptuellerem, vielleicht in einem auf Songwriting ausgelegtem Album, entfalten wird. Bis dahin könnten so manche allein hierdurch auf den Geschmack des Rappers kommen. Denn für Fans von exzentrischem, handwerklich anspruchsvollem Hip Hop gibt es hier das volle Programm.
5 Kommentare mit 4 Antworten
Für mich das beste Rap/Trap Album im Jahr 2018 (schon 2 Monate am Markt). Ein unglaublich talentierter MC. Ein bisschen wie K. Lamar. 5/5
Sehe ich absolut genauso… Wenn er rappt erinnert er mich an Kendrick Lamar, wenn er seine Stimme etwas melodischer auflegt an 6lack… Finde seine Stimme ist quasi ein Hybrid auf Kendrick Lamar & 6lack, was sehr nice ist
*aus
Ja, auf jeden Fall eines der herausragenden Alben 2018.
Auch hierzu sehr zu empfehlen das Spillage Village Kollektiv mit der Bears like.... - Reihe, wo JID neben der Earhtgang und 6Lack mit bei ist.
Yannik hätte ruhig 5/5 geben können, ansonsten passt die Review. Sehe ihn nur eher in der Tradition der Dungeon Family. Finde dass man da den Einfluss auch raushört, und er da auch näher dran ist als an Wayne, Curry und RTJ, was bei Atlanta als Herkunft - und dem Kollektiv im Hinterkopf - auch naheliegend ist.
Nur der Passus mit "... profillosen J. Cole-Schützling über ein starkes, Kendrick-eskes Debütprojekt "The Never Story" bis hierher" macht nicht wirklich Sinn, da Never Story direkt nach dem Signing bei Cole kam. Aber klingt wohl schön...
Besser spät als nie!
Florida-esk, ab heute mein neues Lieblingswort
https://www.berliner-zeitung.de/kultur/med…
Hoffentlich endet es für J.I.D besser.
Gefährliches Pflaster wies aussieht