laut.de-Kritik

Wie ein Folk-Coveralbum alter White Stripes-Klassiker.

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Spontaneität ist eine der Hauptantriebsfedern von Jack White. Kaum etwas ist dem Multitalent verhasster als Vorhersehbarkeit, weswegen er auch die bloße Idee eines Soloalbums jahrelang für abwegig hielt, als eine Art Refugium für ausgebrannte Musiker, die mit ihren berühmten Bands nichts Experimentelles mehr auf die Reihe kriegen.

Abgesehen davon, dass man bei White manchmal nicht mehr weiß, welche seiner drei Bands eigentlich die bekannte ist, war spätestens bei seinem Umzug ins verschlafene Country-Nest Nashville vor sechs Jahren klar: Diesem Mann ist seine künstlerische Vision wichtiger als der vermeintliche Glamour großer Metropolen.

Auch in der Elvis-Stadt Memphis schaute sich White damals um, doch der Vibe erinnerte ihn zu sehr ans altbekannte Detroit. Nashville war einfach die aufregendere Wahl, die Stadt war überschaubarer, das Musikerumfeld kleiner, kurz: Es war die größere Herausforderung.

Nach Produktionen für Insane Clown Posse und Tom Jones und dem Ende des Kapitels The White Stripes hatte er letztes Jahr eine neue Idee, die gar nicht anders als mit einem Solotrip umzusetzen war. White fragte sich, welche Atmosphäre wohl entstünde, wenn er fremde Session-Musiker ins Studio bestellt, ohne vorher auch nur einen einzigen Song geschrieben zu haben. Und wie es wohl klänge, wenn ein von Männern eingespielter Song von Frauen gespielt würde.

Antworten auf diese Fragen gibt nun "Blunderbuss". Wenngleich zu konstatieren ist: Die selbstauferlegte Drucksituation führte White weder auf völlig neues musikalisches Terrain, noch hört man als Nicht-Beteiligter heraus, wann ihn seine Frauenband und wann die Männer begleiten. Der Damenauftakt "Missing Pieces" beginnt im bekannt furiosen Dead Weather-Stil, schiebt das Rhodes Piano aber bereits schön in den Vordergrund; die Mixed-Aufnahme "Sixteen Saltines" zählt gar zu den härtesten Momenten der Platte.

So ist "Blunderbuss" selbstverständlich nicht die Neuerfindung des Jack White geworden, die sein bisheriges Oeuvre in den Schatten stellt. Vielmehr begegnet man vielen altbekannten Harmonien und Songwendungen, die nun in neuem Licht erstrahlen. Auffallend ist lediglich, dass die meisten Songs vom Klavier oder der Orgel getragen werden. Zugespitzt könnte man sagen, "Blunderbuss" ist in Teilen ein Folk-Coveralbum alter White Stripes-Klassiker.

Die zarte Vorabsingle "Love Interruption", ein Duett mit Ruby Amanfu, bezog ihre Faszination vor allem aus dem dominierenden Wurlitzer-Sound, der nur mit Akustikgitarre und Klarinette angereichert wurde. Der Titeltrack verbreitet mit einer sehnsuchtsvollen Steelgitarre den Duft des Mississippi und weitläufiger Landschaften.

Zu den Album-Highlights zählt auch das von (weiblichem) Klavier angetriebene "Hypocritical Kiss", das man in ähnlicher Form vielleicht auf dem letzten White Stripes-Werk vermuten könnte und das somit überdeutlich die Signatur des Songwriters trägt.

White liebt bekanntlich Songs, die das Gefühl vermitteln, schon immer da gewesen zu sein und bei denen es keine Rolle spielt, wann sie aufgenommen wurden. Die beim Hörer ein Gefühl der Vertrautheit wecken, obwohl es neue Songs sind. Dass er mit einem hinaus geschrieenen "I'm Bo Diddley" (in "I'm Shakin'") dennoch Querverweise auf die gute alte Zeit sendet, passt ins Bild des Vinyl-Liebhabers, der in Nashville einen Plattenladen in der Nähe eines Presswerks eröffnete.

"Blunderbuss" bestätigt einmal mehr die nicht versiegende Kreativität des Detroiters, dessen musikhistorische Relevanz kürzlich in der Gitarrendoku "It Might Get Loud" neben Jimmy Page und The Edge bestens veranschaulicht wurde.

Trackliste

  1. 1. Missing Pieces
  2. 2. Sixteen Saltines
  3. 3. Freedom At 21
  4. 4. Love Interruption
  5. 5. Blunderbuss
  6. 6. Hypocritical Kiss
  7. 7. Weep Themselves To Sleep
  8. 8. I'm Shakin'
  9. 9. Trash Tongue Talker
  10. 10. Hip (Eponymous) Poor Boy
  11. 11. I Guess I Should Go To Sleep
  12. 12. On And On And On
  13. 13. Take Me With You When You Go

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