laut.de-Kritik
Ur-Rock nach alter Väter Sitte.
Review von Rinko HeidrichJack White hat letzte Woche in einem Shadowdrop sein Album veröffentlicht. Einfach so, als ungelabelte "No Name"-Vinyl-Dreingabe in seinen Third Man Records-Plattenläden. Allzu lange dauert es nicht, bis die glücklichen Käufer beim Abspielen merkten, was sie da gerade als Gratis-Beilage erwarben. Erinnerungen an die Nullerjahre werden wach, als Radiohead die Musikwelt schockten. "In Rainbows" erschien über Nacht als digitaler "Pay What You Want"-Download, vorbei an alten Strukturen der Major-Labels. Ein paar Jahre vor dem Durchbruch der Streamingdienste war das noch ein großer Deal, der die Diskussion über den Wert von Musik und das Ende der alten Musikindustrie weiter anheizte.
Die Guerilla-Taktik von "No Name" war ein paar Musik-Mags noch eine kleine News wert, einen erneuten Kulturkampf löst es in Zeiten von Bandcamp nicht mehr aus. Der Überraschungseffekt liegt eher in der Heimlichtuerei des für kurzen Zeit mysteriösen Releases, der nun doch regulär digital und als Vinyl-Release erfolgt. Der andere Überraschungseffekt wirkt länger: Jack White hat seine Garage Rock-Wurzeln nie komplett über Bord geworfen, aber so einen krassen Schepper-Sound wie in "No Name" gab es auch lange nicht mehr zu hören. Er kommt genau richtig zu einer Zeit, in der Rockmusik so glatt und produziert wie lange nicht mehr klingt. Also genau wie zu Zeiten des Millenniums, als genau dieser neue und unverfälschte Rock-Sound ein ungeahntes Rock-Revival um Bands wie The Hives oder The Strokes in Gang setzte. Jack White bleibt ein etwas kauziger Rock'n'Roll-Rebell, der irgendwo im Hinterland auf einer Farm seinen Service für Musik-Liebhaber betreibt.
Fehler, Knistern und Störgeräusche sollten schon in den Produktionen der White Stripes hörbar bleiben. Dämonisch und übersteuert kratzt auch "Bless Yourself" in die Gehörgänge. So viel Kanten waren sicherlich seit "White Blood Cells" nicht mehr im Sound von Jack White zu finden. Eine Urgewalt, die noch mal komplett an den Anfang des Blues-Garage-Rock geht. Alles darf knistern, kratzen und beißen. "Archbishop Harold Holmes" oder "Missonary" klingen original wie eine Aufnahme aus der Zeit des Debütalbums, nur die damaligen Alt-Country-Einflüsse weichen einem eher hard-rockigeren Led Zeppelin-Stil.
Den groben, aber doch ziemlich einzigartigen Schlagzeug-Sound von Meg White übernimmt auf "No Name" der Raconteurs-Drummer Patrick Keeler, der mehr die Hi-Hats als das Bass-Drum-Fell verprügelt. Neben Led Zeppelin, die immer schon einen großen Einfluss auf Jack White hatten, hört man auch klar The Stooges durch. Die räudige Proto-Punk-Stimmung von "Bombing Out" bringt diese Gefährlichkeit zurück.
Und ja, schon klar, dass das Vokabular in dieser Rezension nahe am Boomer-Slang vorbeirutscht. "No Name" bleibt natürlich auch der Traum eines eher wertkonservativen Hörers, der die Experimente oder Zusammenarbeiten mit R'n'B-Größen wie Beyonce oder Alicia Keys total meh findet. "No Name" ist Whiskey nach ur-altem Rezept, der sich schlecht mit purpurfarben Modegetränken verträgt. Ur-Rock nach alter Väter Sitte, erzkatholisch wie der Papst, Leder-Jacken-Muff aus der Flohmarkt-Kiste. Solche Rückgriffe machen genau dann Spaß, wenn die Gegenwart nichts hergibt. Whites Album zeigt auf fast beiläufige Art, dass er jederzeit ein Stripes-Album aus dem Ärmel schüttelt könnte. Ein Warnschuss in Richtung der Blues-Rock-Epigonen, wie er sie mit einem Schlag zerstören könnte.
Jack White beherrscht nun mal die Neandertaler-Keule wie kaum ein Zweiter in diesen Tagen, aber er hat sie eben auch jahrelang im Keller verstauben lassen. Aus nachvollziehbare Gründen, weil die White Stripes auserzählt waren, weil White eine eigene Stimme finden wollte.
Die Post-Punk-Disco "That's How I'm Feeling" erinnert bei all den Memberberries, die White auf "No Name" wirklich mit vollen Händen ausschenkt, dann doch wieder an die letzten Solo-Alben. Mehr Tanzbarkeit, mehr Groove, weniger Testo-Überschuss. Ein ziemlicher poppiger Song mit einer tanzbaren Bass-Line, der schnell ins Ohr geht und sogar als Indie-Hit taugt. Der Weg, den White seit geraumer Zeit verfolgt. Doch die Fans, das zeigen die euphorischen Reaktionen auf "No Name", wünschen den alten Jack zurück. Eine Zwickmühle, denn eine Wiederholung widerstrebt ihm. Doch das Portal hat er nun geöffnet.
5 Kommentare mit 4 Antworten
White Stripes Sound ohne die kongeniale und essenzielle Meg? Hab da eher gemischte Gefühle.
Die große Frage lautet: Wo ist eigentlich Meg?
Sie möchte einfach in Ruhe gelassen werden …
https://www.rollingstone.de/was-macht-eige…
Jack White ist schon ein Großer. Allein, was er für David Hasselhoff produziert hat...
Brüller
Hab mich schon gefragt, ob das Album komplett an euch vorbei gegangen ist. Wurde schließlich schon am 19.07. unter die Leute gebracht. Ich finde es sehr gelungen. Der Sound überzeugt mich nicht immer und die digitale Version ist etwas langsamer. Die Vinylversion kommt da deutlich besser. Hier wird das Rad zwar nicht neu erfunden, aber nur Killer no Filler. 4 von 5 !!!
Sicher, dass dein Plattenspieler nicht zu schnell dreht? kann mir nicht vorstellen, dass da was anders ist.
Ich besitze die Platte nicht, sondern habe mir verschiedene Vinyl-Rips angehört bevor der offizielle digitale Release auf Jack Whites You-Tube Kanal eingestellt wurde. Und dieser ist auffällig langsamer. Ich versuch's jetzt mal dem offiziellen MP3 Download...
Bin komplett positiv überrascht, dieses Ding macht richtig Bock und geht richtig hart. Habs ziemlich hoch bewertet - wenns wen interessiert, ihr wisst wo ihr's euch ansehen könnt
Jack White Against The Machine