laut.de-Kritik
Schamlos und wunderbar: das Debüt des Pulp-Sängers.
Review von Vicky ButscherJarvis Cocker war als Frontmann von Pulp Mitte der Neunziger so etwas wie die personifizierte Slacker-Bohème Großbritanniens. Mit ihrem letzten Album "We Love Life" verabschiedete sich die Band – und damit auch Jarvis – von ihrer ursprünglichen Marschrichtung. Die aufstrebende Intelligenzia kam von unten und begann zu feiern ("His'n'Hers"), fand zu Ruhm ("Different Class"), sank in eine tiefe Melancholie und düstere Endzeitstimmung ("This Is Hardcore"), nur um einige Jahre später frisch und unprätentiös das Leben wieder für sich zu entdecken ("We Love Life").
Jarvis schien sich auf der letzten Stufe am wohlsten zu fühlen, kehrte der Heimat England, für die er zuvor mit jeder Faser seines Körpers stand, den Rücken und hat mit dieser Entscheidung seinen Weg anscheinend gefunden. Denn genau dort, wo "We Love Life" aufhörte, setzt "Jarvis" an: Wenig aufgeregt und so geerdet, wie es für einen Mann mit seiner Geschichte eben geht.
Das typische Pulp-Gefühl zwischen stylisher High-Class-Intelligenzia und leicht verzweifelter Arbeiterklasse auf der Suche nach dem Glück bleibt dabei zwar genau wie der Sex in Cockers Stimme auf der Strecke. Doch Jarvis hat sein Gefühl für unheimlich eingängige Melodien ("Don't Let Him Waste Your Time", "Heavy Weather") und die richtige Portion Melancholie nicht verloren.
Musikalisch arbeitet er zum Teil mit wesentlich vielschichtigeren Instrumentierungen als noch bei Pulp. Doch machen gerade Velvet Undergroundesque Songs wie "From A To I", das leider ein wenig an seinem leiernden Chorus krankt, das klavierdominierte, verzweifelte "I Will Kill Again", oder das vorsichtige, ungewohnt instrumentierte "Baby's Coming Back To Me" die schönsten Momente dieses Albums aus.
Details wie dem wunderbar hohlen Schlagzeugsound beim schleifenden und doch mitreißenden "Black Magic" widmet Jarvis eine besondere Aufmerksamkeit auf seinem Debüt. Einer der größten Wehmutstropfen ist, dass der Songwriter die Storytelling-Lyrics, die Pulp-Songs immer dominierten und zu etwas Besonderem machten, auf vielen seiner neuen Stücke zu Befindlichkeitsbeschreibungen herunter bricht. Die Einsamkeit, die Jarvis Cocker auf seinen neuen Songs beschreibt, hört sich anders an als auf den alten Alben. Es ist wohl die nun fehlende Distanz, die seine Geschichten früher zur Person des Komponisten aufbauten. Auf "Jarvis" geht es nicht mehr um die Beschreibung einer Generation oder die seiner Umwelt. Hier geht es nur um ihn.
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