laut.de-Kritik
Entspannter Soulpop mit Country-Anleihen und viel Herz.
Review von Martin LeuteWomöglich hängt es mit seinem Leben auf einer abgeschiedenen walisischen Farm zusammen, dass der Amerikaner Jeb Loy Nichols keine extravaganten Ausflüge mehr macht und mit "Days Are Mighty" nun sein bisher persönlichstes und reifstes Album veröffentlicht hat. Versuchte sich der Ex-Fellow Traveller auf den Vorgängeralben noch erfolgreich an der pompösen Synthese von Pop, Country, Soul und Reggae-Elementen, setzt er dieses Mal auf weniger ausgefallene Arrangements, mehr Intimität und Gemütlichkeit und ganz viel Herz.
Percussions geben im lässigen Opener "My Kind" den Rhythmus vor, auf den sich weiche Keyboard-Akkorde legen, bevor die Mundharmonika ertönt und den warmen, nasalen Gesang Nichols', der dem von Ben Harper ähnelt, ankündigt. Heiter entspannt klingt das und läuft auf einen schönen Refrain zu, bei dem ihn seine Gattin Loraine Morley lieblich unterstützt. Diese beschwingte Atmosphäre setzt sich im Titeltrack "Days Are Mighty" mit ebenso ohrgängiger Melodie fort. Sanft gehen Rhythm And Blues und Pop hier Hand in Hand. Die gezupfte Gitarre, schlichte Harmonien und ein hübscher Backgroundchor prägen "Can't Find The Words" und sprechen für sich, wenn eben die Worte fehlen.
Seine frühere Zusammenarbeit mit Lambchop-Mitgliedern offenbart sich vor allem in ruhigen Nummern wie "After November", das von einer vorsichtig gesetzten E-Gitarre und der Mundharmonika untermalt wird, oder "Lay Down And Cry" und "Poor Little Barn", denen die Akustikgitarre und ein behutsam perlendes Piano genügen, um die schönen Melodien zu tragen.
Seine Nähe zum Folk zeigt sich im nur mit Gitarren-Fingerpicking instrumentierten "That's Not What She Said To Me". Bei der Fröhlichkeit, die "Let's Not Fall In Love" versprüht, fällt es schwer, dieser Forderung nicht nachzukommen und bei "Almost" handelt es sich um einen alten Soul-Song von Betty Lavette, der in dieser Version einen dezenten Reggae-Vibe an den Tag legt. Die Platte schließt mit der soulpoppigen Midtempo-Nummer "I Need You So" ab, einem Loblied auf die Liebe, das noch aus Zeiten der Fellow Travellers stammt.
Jeb Loy Nichols setzt auf störungsfreie Harmonie und macht es dem Hörer denkbar einfach, sich darauf einzulassen. Liebevoll arrangiert und sachlich produziert präsentiert sich das fünfte Werk des Wahl-Walisers als Schmuse-Pop, der sich dezent Elementen der Genres Soul und Country und auch des Jazz bedient. "Days Are Mighty" ist kommerziell geraten, ohne dass Jeb Loy Nichols dabei seine Individualität aufs Spiel setzt.
Als Dreingabe bietet das Album übrigens eine weitere CD, die mit zehn hörenswerten, nackten Demo-Versionen verdeutlicht, das Nichols Songwriter-Qualitäten besitzt, die durchaus an die eines Jack Johnson heranreichen.