laut.de-Kritik
Namhafte Kollegen huldigen dem Hot Rod-Freak.
Review von Giuliano BenassiVon allen Gitarrenlegenden, die die 1960er Jahre hervor gebracht haben, bleibt Jeff Beck die geheimnisvollste. Nicht, weil er aktiv einen Mythos um sich gewoben hätte (dazu hatte er stets Besseres zu tun), sondern weil der Antrieb seines musikalischen Schaffens unergründlich scheint.
Die vorliegende DVD gibt sich reichlich Mühe, Licht ins Dunkel zu bringen, auch wenn sie schließlich doch keine endgültige Antwort findet. Dafür lobt eine beeindruckende Anzahl an Weggefährten Beck in höchsten Tönen. Allen voran Jugendfreund Jimmy Page, in dessen Londoner Zimmer beide ihrem ersten großen Vorbild Cliff Gallup nacheiferten, dem Gitarristen von Rockabilly-Star Gene Vincent. Auch Eric Clapton, David Gilmour, Slash oder Joe Perry erkennen neidlos an, dass sich Becks musikalisches Verständnis auf einem anderen Level befindet als ihr eigenes.
Dem großen Erfolg ist Beck stets ausgewichen. Legendär seine Band-Ausstiege in dem Moment, als der Durchbruch zum Greifen nah schien. So ließ er 1966 nach den ersten zwei Auftritten einer mehrmonatigen US-Tour die Yardbirds im Stich, zu denen er gerade seinen alten Kumpel Page geholt hatte. Nach einer kurzen Auszeit gründete er die Jeff Beck Group mit Rod Stewart und Ron Wood, doch war auch hier plötzlich Schluss, zwei Wochen vor ihrem geplanten Auftritt in Woodstock 1969, dem legendärsten aller Festivals.
"Zum Glück habe ich es getan. Sonst hätte ich heute noch das Image von damals, wie eingefroren. Das war die richtige Entscheidung", erklärt Beck im Film. Groll hegt keiner der Beteiligten, im Gegenteil: Stewart zeigt sich bei seinem Interview gar bereit, jederzeit wieder mit Beck zusammen zu spielen. Doch scheint er selbst nicht daran zu glauben, denn der Werdegang des Gitarristen beweist, dass ihn Wiederholungen langweilen und er immer wieder neue Inspiration braucht, um ins Studio zu gehen. Wobei er keiner ist, der sich auf der Bühne seinem alten Material verweigert oder es bis zur Unkenntnis verhunzt, wie das Bonus-Material aus einem Auftritt in Montreux 2007 zeigt.
Wenn er nicht seine Gitarre bedient, schraubt Beck an seinen Hot Rods und fährt sie durch die englische Landschaft spazieren, so auch im Film. Musikalisch steht er dagegen nicht gerne im Rampenlicht und hatte stets Mühe, Frontmänner zu finden, die seine Ideen umsetzten, weshalb sich so viele Instrumentals in seinem Repertoire finden. Ob Rockabilly, Hard Rock, indische Einflüsse, Jazz (seine mitreißende Zusammenarbeit mit dem Mahavishnu Orchestra in den 1970er Jahren), Elektronik in den 1990ern - stets ist Beck seiner Muse gefolgt. Sein Talent zeigt sich an unzähligen Gastauftritten, etwa bei einer Session 1972 am Schlagzeug mit Stevie Wonder - Titel des Songs: "Superstition".
Bezeichnend, dass Becks Begleitbands im Laufe der Jahre immer weiblicher und jünger wurden. Die Gitarristin Carmen Vandenberg, die 2016 an seinem Album "Loud Hailer" beteiligt war, bringt die Sache auf den Punkt: "Die meisten Gitarristen spielen die Gitarre einfach nur. Er dagegen bringt sie zum Singen." Trotz gesundheitlicher Beschwerden und Becks fortgeschrittenem Alter - er ist Jahrgang 1944 - trifft der Untertitel des Films tatsächlich zu: Von allen Gitarrenlegenden, die die 1960er Jahren hervor gebracht haben, ist Jeff Beck die einzige, der man auch im achten Lebensjahrzehnt noch etwas Neues zutraut.
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