laut.de-Kritik
Ungewöhnliche Annäherung von Klassik und Techno.
Review von Daniel StraubDer Pont Du Gard im Süden Frankreichs ist eines der beeindruckendsten Baukunstwerke der Menschheit. Von den Römern Mitte des ersten Jahrhunderts nach Christus erbaut, um damit die Wasserversorgung der Handelsmetropole Nimes zu sichern, überspannt das Bauwerk noch heute majestätisch das Flussbett der Gardon. Im vergangenen Sommer, 20 Jahre nach der Ernennung des Pont Du Gard zum UNESCO-Weltkulturerbe, wurde dort ein ganz besonderes Jubiläum gefeiert.
Zum Jahrestag kamen das Montpellier Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Alain Altinoglu und der amerikanische Techno-Produzent Jeff Mills am Fuße des dreistöckigen Bauwerks zu einem besonderen musikalischen Treffen zusammen. Auf dem Programm standen Tracks von Jeff Mills. Diese wurden für ein Orchester arrangiert, so dass die Philharmoniker sie live spielen konnten. Mills hatte außerdem einen kleinen Gerätepark mit gebracht, um die Fusion von Klassik und Techno komplett zu machen.
"Blue Potential" ist der Mitschnitt überschrieben, der in seinem Titel und der Covergestaltung wohl nicht zufällig an Miles Davis wegweisende Veröffentlichung "Kind Of Blue" erinnert. Damit ist ein gewaltiger Anspruch verbunden, an dem sich Mills und die Philharmoniker aus Montpellier messen wollen. Und so wurden für das Event eigens Partituren geschrieben, um die Songs auf ein Orchester übertragen zu können. Mills selbst hat seine Tracks für das Ereignis ebenfalls neu bearbeitet und sie auf ihre rhythmischen Bestandteile reduziert.
Bei der Mehrzahl der Titel funktioniert diese Arbeitsteilung ganz gut. Bassdrum und Hi-Hat mit ihren charakteristischen Sounds verraten sofort das Original. Die melancholische Detroit-Atmosphäre besorgt in diesem Fall das Orchester. Dadurch klingen Stücke wie "The Bells" oder "Gamma Player" weit weniger kühl und futuristisch. Das volle Klangbild der klassischen Instrumente gibt den Tracks auf "Blue Potential" eine romantisch-verträumte Note.
Hier findet sich denn auch der Anknüpfungspunkt zu den Stücken von Miles Davis, auch wenn Mills und Philharmoniker aus Montpellier die schlafwandlerische Leichtigkeit von "Kind Of Blue" nicht erreichen. Dafür sind sie schlicht und ergreifend nicht gut genug aufeinander eingespielt. Trotzdem entlocken sie Klassikern wie dem Underground Resistance-Track "Sonic Destroyer" ganz neue Seiten und fordern damit die Hörgewohnheiten immer wieder heraus.
In der Bonussektion der DVD kommt schließlich Jeff Mills selbst zu Wort. Außerdem beleuchtet eine halbstündige Dokumentation den Hintergrund des einmaligen Events am Fuße des Pont Du Gard. Außerdem nimmt Mills die Zuschauer mit ins Studio.
Dort lassen er und der Komponist Thomas Roussel sich beim Arrangieren der Tracks für "Blue Potential" ein wenig über die Schulter blicken. Hier lässt sich erahnen, wie viel Zeit und Mühe von allen Seiten in das Projekt geflossen ist. Eine ungewönhliche Annäherung von Klassik und Techno, die vielleicht nicht der ganz große Wurf ist, aber durchaus Lust auf mehr macht.
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