laut.de-Kritik

Wieder näher an Savages, die man dennoch vermisst.

Review von

"You Heartbreaker, You" ist erst das zweite Album der gefühlt präsenteren Jehnny Beth. Man ist ihr immer ein wenig böse, dass ihre Band Savages scheintot ist. Nichts gegen ihren Arte-Job, gegen ihre Radiosendung, ihre Schriftstellerei, gegen ihre Schauspielerei, aber Savages waren recht offenkundig die Krone der eigenen Schöpfung, die zumal auch noch besser ausfiel als ihre vorherige Musik. Die machte sie unter anderem mit Johnny Hostile, mit der gleich blöden Schreibweise, als Duo John & Jehn. Hostile ist nun wieder nicht nur dabei, er ist alleinverantwortlich für die Musik, Jehnny singt nur. Da kriecht der Verdacht, die Französin habe für "You Heartbreaker, You" schlicht nicht genug Zeit gehabt, natürlich das Köpflein hoch und beißt sich fest im Innenohr. Andererseits ist Hostile keine schlechte Adresse, tourte er zuletzt doch mit Nick Cave.

"Jedes Spiel fängt bei Null an", sagt Lothar oft, und dieses Spiel beginnt mit "Broken Rib". Das gibt den dramatischen Ton des Albums korrekt vor, der den Artpop des Debüts "To Love Is To Live" hinter sich lässt und zum verspielten Titel gar nicht passt. "You Heartbreaker, You" rückt also gesanglich deutlich näher an Savages heran, was natürlich Beths Privileg als Bandchefin ist. Statt Punk bekommen wir aber eine relativ breite Palette an Industrial geboten, von poppigeren bis rockigeren Zutaten.

"Broken Rib" will seine Dramatik etwas zu sehr, das Flüstern und Geifern verdrängt die NIN-Coolness, auf die Beth offenkundig hinauswill. Trotzdem eine anständige Nummer mit gutem Druck, wie schon immer brilliert die Sängerin bei Refrains mit ihrem unbedingten Willen, dem Affen immer wieder Zucker zu geben, auch wenn ihre Stimme schon drei Mal brach.

Thematisch bleibt eine abstrakte Negativität dominant, mit vernünftigen, aber nie besonders packenden oder eindringlichen Lyrics. "No Good For People" kann man Tracks nennen, ist aber wie ein Kinotrailer, nach dem man den Film kennt. Der Song bietet ein wenig zu sehr nach Fließband riechenden Industrial-Pop, was allein schon deshalb unfair ist, da man diesen selten hört. Man will Beth mögen für die freigiebige Verschwendung ihres unfassbaren kommerziellen Potenzials, Songs wie "Obsession" haben aber ebenso einen qualitativen Boden wie sie eine Decke haben. In einem wie stets sehr klassischen Schema verursacht ausnahmsweise Hostile stöhnend und ächzend nur sehr milde Beklemmung, die dann just in time durch ein handwerklich kompetentes Donnerwetter weggefegt wird. KI könnte solche Musik (noch) nicht schreiben, nimmt es sich aber bestimmt als nächste Benchmark vor.

"Out Of Reach" und "I Still Believe" neigen sich in den Alt-Rock, der zweite Song mit einer schönen Schlusspassage. Die Aggressivität sitzt bei Frau Barthomier stets, die Songs sind aber zu konservativ geschrieben, um lange im Kopf zu bleiben. Das macht "Reality" besser, da es die Sängerin noch mehr in den Vordergrund stellt, und sie ist nun mal klasse. Ob Rappassage oder Shouting, der Liveruf setzt sich nahtlos auf Platte fort, man spürt stets ihren Bock. Hier fällt aber auch auf, dass der Rest wie das trotzdem pervers groovige "High Resolution Sadness" eben doch oft wirkt, als sei die Musik fertig gewesen und erst danach hätte man sich das Mikro geschnappt.

"Stop Me Now" schafft eine kleine Hypnose im Bassgewitter, das die letzten drei starken Songs charakterisiert. Beim vierten Mal mag man den Refrain nicht mehr hören, beim fünftzehnten Mal bekommt man das Ding partout nicht mehr aus dem Kopf. "I See Your Pain" beschließt ein interessantes, gutes Album mit Schwächen und vielen Stärken. Die größte Stärke bleibt Jehn, der John hat aber gut geliefert, nur so organisch wie beim Closer gelingt es nicht immer. Auch der folgt einem simplen laut/leise-Muster, aber wer kann das schon so schön?

Trackliste

  1. 1. Broken Rib
  2. 2. No Good For People
  3. 3. Obsession
  4. 4. Out Of My Reach
  5. 5. I Still Believe
  6. 6. Reality
  7. 7. Stop Me Now
  8. 8. High Resolution Sadness
  9. 9. I See Your Pain

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