laut.de-Kritik
Die alte Leier, überraschend dünn.
Review von Lisa RupprechtMit "Trust" legen Jeremias ihr viertes Studioalbum vor. Ein Werk, das auf dem Papier große Gefühle verspricht: Vertrauen, Liebe, Freundschaft, aber vor allem auch Kontinuität. Vielleicht sogar zu viel davon.
Seit ihrem Debüt "Golden Hour" (2021) zählen die vier Jungs zu den festen Größen im deutschsprachigen Indie-Pop. Ihr Mix aus Poppigem mit Funk-Elementen, persönlichen Texten und tanzbaren Beats kam gut an – vor allem bei einem jüngeren Publikum.
Die zwölf Tracks auf der neuen Platte wirken nun wie der Versuch, das Bewährte noch einmal aufzuwärmen. Die Produktion ist glatt, der Sound vertraut. Und das ist genau das Problem: Wo früher Neugier und musikalischer Spieltrieb dominierten, schleicht sich heute ein Gefühl von Routine ein. Gerade für eine Band, die immer wieder von Aufbruch und Selbstfindung singt, kommt das eher einem Stillstand gleich.
"Trust" – das Wort steht für das emotionale Fundament des Albums. Die Band möchte zeigen, dass sie zusammengewachsen ist und ihre Beziehung auch schwierige Zeiten übersteht. Tatsächlich: Es klingt durchdacht, sicher. Aber manchmal ist Sicherheit eben auch einfach Langeweile.
Schon rein rechnerisch bietet das Album wenig Überraschungen: Von den zwölf Liedern sind bereits sechs als Singles erschienen. Dazu kommen ein Intro "This Is" und ein Outro "Mamita" mit Sprechtexten. Es bleiben also gerade mal vier weitere neue Songs übrig. Dadurch wirkt "Trust" wie eine zur LP gestreckte EP.
"Meer", einer der schon bekannten Tracks, bleibt das emotionale Highlight des Albums. Der Song wirkt melancholisch und reduziert. Auch "Pillen" hat mit seiner eingängigen Produktion und dem typischen Jeremias-Groove das Zeug zum Fan-Favoriten. Aber dann wird es auch schnell dünn.
"Sag Mir Was Ich Nicht Weiß" hetzt mit schnellen Drums durch altbekannte Themen. "Reich" klingt, als würden Jeremias sich über sich selbst erheben, ein wenig zu selbstverliebt. "Ein Vogel" will metaphorisch sein, ist aber eher Kirchenchor mit Indie-Attitüde. Und "Luna"? Dunkel, zurückhaltend, aber auch etwas nichtssagend. Was auffällt, ist gerade das, was unausgesprochen bleibt.
Noch immer beschäftigt viele Fans die Frage: Wie geht die Band mit dem Skandal um, der 2024 durch die Medien ging? Der Bruch mit einem langjährigen künstlerischen Weggefährten wurde damals lediglich in einer schriftlichen Stellungnahme kommentiert. Und auch jetzt: Kein Wort, kein Song, keine Zeile, die sich sichtbar damit auseinandersetzt.
Natürlich ist eine Band nicht verpflichtet, ihre Kunst zur öffentlichen Aufarbeitung zu machen. Aber wenn Vertrauen das zentrale Motiv ist, was bedeutet das in einer Zeit, in der eben dieses Vertrauen in die Band für viele gebrochen wurde? "Trust" lässt diese Frage unbeantwortet. Das ist enttäuschend und wirkt fast wie Verdrängung.
Die neue Platte ist kein Totalausfall. Die Handschrift von Jeremias ist nach wie vor klar erkennbar. Einzelne Songs wie "Meer", "Pillen" oder "Das Geht Vorbei" funktionieren emotional und musikalisch gut. Aber das reicht nicht. Das Album bleibt zu oft an der Oberfläche, wiederholt alte Formeln und spart dort mit Tiefe, wo man sie wirklich brauchen würde.
Für ein Debüt wäre es eine solide Platte. Für das vierte Album einer Band, die längst auf den großen Bühnen angekommen ist, wirkt es ernüchternd. Jeremias bleiben stilistisch auf der Stelle und sich selbst im Weg stehen.
3 Kommentare
"Tanzbare Beats"...typischer Gemeinplatz im "Musik-Journalismus".
"Die alte Leier, überraschend dünn." weiß der kollege, wie du über seine mutter sprichst?
Bald ist im ZDF Studio wieder ein Moderator zu Tränen gerührt.