laut.de-Kritik
JEW befreien sich von dem Ballast der Emo-Vorzeigeband.
Review von Rinko HeidrichJimmy Eat World sind Überlebende. Sie haben New Metal, die Phase des Retro-Rock der Nuller und auch lärmenden EDM mit großer Beharrlichkeit überlebt. Ihren Emo-Rock haben sie nur in Nuancen geändert, einzig das stark überproduzierte Album "Chase This Light" provozierte mit seinem zuckrigen Pop-Sound einen Bruch mit den Fans, ansonsten blieben die Alben seitdem im Mittelfeld zwischen mutloser Fan-Rückgewinnung und einer verkrampften Identitätssuche stecken.
Die Luft nach oben hat sich jahrelang angestaut und entlädt sich nun in "Surviving", Opener und Titeltrack des zehnten Albums. Ohne viel Schnörkel geht die selbstbewusste Rock-Nummer voran und hinterlässt großes Staunen. Das hat nun wirklich gar nichts mit dem fragilen Clarity der Heimat aller verlorenen Indie-Jungs zu tun. Eine Meta-Ebene oder ein Spiel mit der Ironie ist ebenfalls nicht auszumachen. Die meinen das tatsächlich ernst, wie das ähnlich wuchtige "Criminal Energy" noch einmal klar stellt. Hart rockende Zeiten für Nostalgiker, die sich im Laufe des Albums auch noch an Brian May-Gedächtnis-Soli, einem Saxophon(!) in "All The Way Stay" und New Wave in "555" gewöhnen müssen.
"Surving"ist kein Album des stillen Leidens. Die Energie, die schon der Hardrock-Einstieg freisetzte, bleibt auf der ganzen Albumlänge bestehen. "Congratulations" gelingt sogar das Kunststück, auf einer Länge von fast sieben Minuten nie zu langweilen. Das fast schon proggige Ende des Albums bekommt seine Zeit, um sich behutsam aufzubauen und mit einem Metal-Finale zu enden. Tool ohne Testosteron, Muse mit einem Gespür für ordentliches Songwriting.
"Delivery" liefert noch einmal das Fan-Paket aus und fügt sich nahtlos in den generischen Emopop-Sound der letzten Alben ein. Einfach schnell vergessen und zu dem euphorischen "Diamond" rüber skippen. Hier klingen sie wie College-Jungs, die noch einmal die Welt aus den Angeln heben. Hey Blink, genau so fühlt es sich an, wenn man Jugendlichkeit nicht vortäuscht, sondern auch wirklich wieder überzeugend auslebt. Ein bedeutendes Element dieser Lebensphase ist schließlich Spaß, und den haben Jimmy Eat World, oder wie es Jim Adkins bereits im Einstieg zum Album sang: "Never wanted the pain." "Chase This Light" sollte eigentlich schon der Abschied von der Rolle als Emo-Vorzeige-Band markieren, aber erst "Surviving" nimmt ihnen diesen Ballast von den Schultern.
American Football zeigten dieses Jahr, wie man Emo in Würde altern lassen kann, The Get Up Kids mit einem müden Album das Gegenteil davon. Jimmy Eat World haben sich von ihrer Vergangenheit befreit und den Sprung zu einer überzeugenden Rockband geschafft.
6 Kommentare mit 4 Antworten
Klasse Platte. Klingt endlich wieder voll und ganz nach Jimmy Eat World.
Das Album das so überproduziert ein soll, hieß übrigens "Chase This Light" nicht "Chasing the Light".
Danke für den Hinweis! Das Album wohl gleich mit dem korrekten Albumtitel verdrängt.
JEW sind Emo-Rock?!?! Zugegeben ich kenne nur Bleed America aber das klingt für mich jetzt nicht nach Emo.
"Emo" ist tatsächlich ein weites Feld, um dessen Zugehörigkeit ja immer gestritten wird und Bands wie The Uses mal mit rein nimmt oder ausklammert. Ich bezeichne JEW bis "Futures" ganz klar als Emo, danach wird es schwammiger. "Surviving" ist bisher für mich die klarste Trennlinie.
ist das wirklich die gängige abkürzung?
Ja, habe sogar irgendwann gelesen, dass die Band sich dem auch nicht bewusst war, bis sie den Namen einmal auf einem Bühnenbild abgekürzt hatten, und dann recht "überrascht" waren...
Ist es in der Tat. Könnte aber schlimmer sein, Saves the Day haben da ne weit ungünstigere Abkürzung...
Wow, grad erst gehört, JEW bleibt eine der wenigen bands bei denen ich einfach fast jedes album gerne höre auch wenn es ne zeit lang etwas weniger gut war. Seit dem letztem Album sind sie aber auf jeden Fall wieder auf einem ganz fantastischem niveau unterwegs!
Verdammt! Da sind sie wieder, die tollen Melodien, das Gespür für Harmonien und gutes Songwriting, gegossen in einen Sound, der eigentlich schon fast zu poppig ist, aber eben nur fast ("Delivery" ist so ein Beispiel). Auf den vorangegangenen Alben haben die Tracks oft nicht mehr diese Kurve gekriegt und sind ins Beliebige, Langweilige abgedriftet. Hier passiert das nur etwas in der Mitte des Albums ("One Mil", "Love Never"), ansonsten bleiben die Lieder spannend und wissen durch den rockigeren, manchmal sogar an Rival Sons erinnernden Sound zu gefallen. Das Album bietet eine ganze Reihe richtig guter Songs, unter anderem mit "Criminal Energy" meinen ersten Jimmy Ear World Ohrwurm seit Ewigkeiten und mit Concratulations den vlt besten Song seit 15 Jahren.
Alles in allem das beste Album seit Futures!
Eine der Bands meiner Jugend, die sich nie verändert haben. Und in diesem Fall ist das auch gut so. So wie in anderen Generationen die Rolling Stones, AC/DC oder *Namen der Lieblingsband eintragen. Sich nicht verändern müssen ist auch eine Leistung. Gibt mir mit jedem neuen Album immer ein gutes Gefühl. Dieses hier ist wieder besonders gut geraten. Ich hoffe auf noch viele weitere.