laut.de-Kritik

Schlager mit Marianne Rosenberg und Chris Harms.

Review von

Joachim Witt wechselte kürzlich nach Veröffentlichungen auf seinem eigenen Label Ventil mit Warner wieder zu einem Riesen. Dabei ließen die ersten Singles für die Plattenfirma nichts Gutes erwarten. "Schwör Mir", eine streichergetränkte Hymne über die Sehnsucht nach der ewigen Liebe, die Witt im ZDF Fernsehgarten zum Besten gab, und "In Unserer Zeit", das er zusammen mit Marianne Rosenberg sang und Hoffnung auf eine bessere Zukunft vermittelte, ließen nämlich befürchten, dass sich der 75-Jährige mit seiner Musik endgültig dem Schlager-Publikum anbiedern könnte. Mit "Der Fels In Der Brandung", das nun als Special Edition erscheint, die unter anderem Duette mit Alexander Wesselsky von Eisbrecher und Chris Harms von Lord Of The Lost enthält, bewahrheitet sich diese Befürchtung.

Zunächst setzt der geborene Hanseate in "Signale" mit billigen Bläsersamples und "Internationale"-Anspielungen ein lautstarkes Zeichen gegen den Klimawandel. Auch im weiteren Verlauf begegnet man hin und wieder Bläsern und wie Sounds aus der Ethno-Ramschabteilung, wie "Weg Ins Licht" verdeutlicht. Die Reisemotive der Vorgänger greift Witt in "Sebelele" wieder auf, das mit der südafrikanischen Sängerin Velile Mchunu entstand und in ähnlicher Form auch von Oonagh hätte stammen können.

Ansonsten bekommt man es mit viel Weltverbessererpathos und textlichen Allgemeinplätzen, verpackt in tausend Metaphern zu tun. Für ein wenig Seelenschau wie in "Jung", in dem der Musiker die Unbeschwertheit der Jugend aus dem Blick des Alters betrachtet, bleibt aber auch noch etwas Platz. Zusammen mit den schlageresken Rhythmen und den gefälligen Melodien ergibt sich bis dato Witts handzahmstes Album. Selbst einem rockigen Track wie "Revolution" mangelt es aufgrund des dünnen und flachen Klangbildes an Durchschlagskraft.

Gegen Ende lässt "Propaganda" aber dann doch kurz aufhorchen, zwar nicht musikalisch, aber dafür mit abgedrehten Humor, bevor die Platte mit "Träume Im Gegenwind" in den sicheren Santiano-Hafen einläuft. Diese Doppelbödigkeit hätte man sich auf der Scheibe öfter gewünscht.

Mit den Bonus Tracks der Special Edition bleibt Witt seinem Schlager-Kurs treu. Das von elektronischen Rhyhtmen und weitläufigen Synthiestreichern durchzogene "Fels In Der Brandung" klingt wie eine Matthias Reim-Nummer, nur in schlecht. Das getragene "Ich Hab Dich Nie Vergessen" mit Nino de Angelo stellt zumindest ein Duett auf Augenhöhe dar. Tiefer in die Niederungen des Genres kann man sich schließlich nicht mehr begeben, wenn man mal die Ballermann-Auswüchse außer Acht lässt.

"Signale" unterscheidet sich in der Brett-Version bis auf den rockigen Unterbau und dem Organ von Alexander Wesselsky, der mit seinem teutonischen Gebaren Witt vor Neid erblassen lässt, nicht großartig vom Original. In "Elektrosexuell" arbeitet sich der ehemalige Herbergsvater gemeinsam mit Chris Harms zu Plastikpop-Sounds aus der 80er-Hölle an Social Media ab.

In "Nichts Ist Wie Es Ist" mimt dann der Mittsiebziger, der vom Ruhestand noch lange nichts wissen möchte, zu elektrobluesigen Klängen den Dave Gahan, ohne auch nur ansatzweise das Charisma des Depeche Mode-Sängers zu erreichen. Insgesamt tut sich Joachim Witt mit seiner Neuausrichtung also keinen großen Gefallen.

Trackliste

  1. 1. Signale
  2. 2. Weg Ins Licht
  3. 3. Sebelele
  4. 4. Schwör Mir
  5. 5. In Unserer Zeit
  6. 6. Revolution
  7. 7. Jung
  8. 8. Hörst Du Mich
  9. 9. Bäume
  10. 10. Propaganda
  11. 11. Träume Im Gegenwind
  12. 12. Fels In Der Brandung
  13. 13. Ich Hab Dich Nie Vergessen
  14. 14. Signale (Brett-Version)
  15. 15. Elektrosexuell
  16. 16. Nichts Ist Wie Es Ist

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