laut.de-Kritik
80s-Pop-Rock mit Selbstironie, aber auch viel Herzschmerz.
Review von Magnus FranzJohn Mayer ist ein Meister in Sachen Selbstironie und Selbsterkenntnis. Mit einer Titelwahl wie "Sob Rock" nimmt er jeglichen Kritikern bereits die Kritik vorweg. Denn "Sob Rock" ist genau das, was der Titel meint: Kitschiger, schnulziger, softer und vor allem eingänger Pop-Rock. Mit dem Albumnamen zeigt Mayer jedoch allen, dass ihm diese Tatsache sehr wohl bewusst ist, wodurch sich niemand sonderlich stolz oder smart fühlen braucht, darauf herumzureiten. Das eigene Album so zu nennen, wie es Kritiker verreißen oder betiteln, ist definitiv nicht die schlechteste Idee.
Dieses psychologische Abwehrschild ist allerdings auch nötig, denn inhaltlich bewegt sich "Sob Rock" tatsächlich über seine gesamte Spiellänge auf einem ziemlich schmalen Grad zwischen noch akzeptablem Herzschmerz und augenrollendem Kitsch-Chaos. Und obwohl Mayer - so viel weiß man inzwischen - dieses Risiko mit Absicht ausreizt, überschreitet er die Grenze an manchen Stellen dann doch in eine Richtung, die sogar ein selbstironischer Albumtitel nicht mehr rechtfertigt.
Allem voran steht dabei "Why You No Love Me", das den klischeehaften Herzbruch mit einem langatmigen Instrumental, tausendfach gehörten Lyrics und anstrengendem Gesang ausschlachtet: "Why you no love me? / Why you no love me? / Why you no even care? / Why you no love me? / Why you no love me? / Why you no will be there?"
"Shouldn't Matter But It Does" verpackt zwar die emotionale Schwere der Gedanken an eine vergangene Beziehung authentischer, aber immer noch nicht auf eine Weise, dass selbst nach mehrmaligem Hören sowohl musikalisch als auch lyrisch viel davon hängen bleibt.
In seinen besten Momenten, die glücklicherweise die Mehrheit bilden, ist "Sob Rock" allerdings doch ein durchaus gelungenes und farbenfrohes Pop-Rock-Album mit einer Vielzahl an Referenzen, die schöne Erinnerungen an die Vergangenheit wecken. Während sich Mayer mit "Shot In The Dark" gerade in den Instrumentalpassagen eine melodische Scheibe von Bruce Hornsby und Toto abschneidet, könnte die synthgetriebene Album-Leadsingle "Last Train Home" genauso auf Steve Winwoods "Back In The High Life" zu finden sein.
"Til The Right One Comes" versprüht im Zusammenspiel aus Blues-Gitarren, harmonischen Background-Vocals, weichen Drums sowie einzelnen Synth- und E-Piano-Einspielern wiederum Unmengen an Roadtrip-Vibes, die ebenfalls in "Carry Me Away" und dem Disco-Ableger "New Light" zu finden sind. Gerade die funk-inspirierte Instrumental-Bridge in "New Light" hebt den bis dato akzeptablen Track in neue Höhen.
Dennoch hat "Sob Rock" ein paar Baustellen, die das Potential und die kreativen Möglichkeiten der Platte hemmen. Nicht nur, dass es in weiten Teilen an musikalischen Überraschungsmomenten fehlt, auch das lyrische Motiv von Herzschmerz und Weinerlichkeit könnte deutlich mehr Abwechslung vertragen.
Die klangliche Atmosphäre des Albums pflanzt sich aber wiederum ins Gehirn, man meint, die nostalgische Erinnerung eines Ereignisses zu fühlen, das niemals stattgefunden hat. Letztendlich präsentiert sich "Sob Rock" somit also wie eine Platte, die sich in irgendeiner verstaubten Kiste mit verlorenen LPs der 80er Jahre verbirgt und gefunden werden kann, aber nicht muss.
6 Kommentare mit 4 Antworten
Ob mit oder ohne Selbstironie; man ist das lahm…
du bist lahm, alda
Stark! Vielleicht seine beste Platte bisher.
Der hat so Meisterwerke wie "Continuum" und "Heavier Things" rausgehauen, das ist echt eine mutige Aussage!
Ich möchte mich trotz Sympathie für Sob Rock meinem Vorredner anschließen! Alben wie diese wirken seit Jahren leider unerreicht.
3/5 trifft es gut. Die Platte ist solide, mein persönliches Highlight ist Wild Blue, das dürfte sich zu einem Highlight auf Konzerten mausern. Ansonsten gibt's noch weitere starke Lieder wie Last Train Home, aber leider auch ein paar, die selbst mit Zwinkersmiley einfach zu viel Schmalz sind.
Ich liebe JM, aber bei dieser Platte darfst echt nicht müde sein
...oder eben genau das.
Immer dieses Gejammer von wegen "Schmalz" und "Lahm". Manchmal ist das hald einfach so und darf auch einfach mal so rausgeschmettert werden. Gute Musik bleibt's trotzdem. Dann hat man immer noch einen treibenden "Back-Katalog", der genug pushende Perlen liefert.
Ja, es ist halt echt dieser Kuschelrock der Sorte "gefällt auch meiner Schwiegermutter und tut keinem weh". Das meiste vergisst man nach einmaligem Hören, auch wenn alles zweifellos sehr gut gemacht und wohlklingend ist.
Die Bluesigen Sachen von ihm sind deutlich besser.
Deshalb ist für mich der Höhepunkt der Platte das hier in der Rezension leider nicht erwähnte "Wild Blue" - es hat wohl noch nie jemand so nach Mark Knopfler geklungen ohne selbst der Sultan des Swings zu sein.
Daran erinnert mich auch die zweite Hälfte von "I Guess I Just Feel Like" stark, weshalb das hier auch noch erwähnt sei.
Der Knopfler hat viele softe Bluesrocknummern drauf, die einem auch nicht gerade Tränen in die Augen treiben, aber die man gerne hört, weil halt einfach so gut mit der Gitarre umgesetzt - also auf diesem schwachen Album noch die beste Idee, ihn als Referenz herzunehmen.
Der Rest des Albums ist wirklich "zum vergessen".