laut.de-Kritik

Funky Urlaub in New York City.

Review von

Lorenzo Jovanotti Cherubini gehört zu den italienischen Rap-Pionieren. Seinen smarten Ansatz, afroamerikanische Elemente von Blues, Soul und R'n'B zu verbinden, behielt er über die Jahrzehnte bei und veröffentlichte jede Menge Platten bei Universal. Das frischeste Material stammt von Januar 2025: "Il Corpo Umano Vol. 1". Nun reichert er seinen Stil um feurigen Latinjazz an: Im Kontext seines coolen Understatement-Sounds ist die Kombination von Akkordeon, Tres-Gitarre und kubanischen Percussions ein echter Hinhörer.

Das Projekt heißt etwas umständlich "Niuiorcherubini (Brooklyn Studio - Jova Session 25)" und stellt einen mannstark besetzten One-Take-Jam dar, entstanden in New York City. Austragungsort der sechstägigen Session in acht unterschiedlichen Besetzungen war das Astoria Soundworks Studio an der Ecke 23./38. Straße am Nordrand von Brooklyn.

Alle Tracks gehen mit Visuals einher: Clips und Polaroid-Schnappschüsse aus dem Studio, Spaziergänge Jovanottis in der Stadt oder U-Bahnhöfe. Die Stücke nehmen sich Zeit, um Spannungsbögen aufzubauen und den Klangfarben der Instrumente Raum zu schaffen. Da quietscht dann beispielsweise eine Vintage-Farfisa-Orgel aus dem letzten Loch ("Cado Verso L'Alto"). Sechs Minuten smoother Funk-Jazzrap rankt sich in "Shiva Jam" um das berühmte Hindu-Mantra "Om Namah Shivaya".

Ähnlich trockenen Rhythm'n'Rhyme liefert das coole "Resistente". "Mi Fa Felice" bietet dies in gängiger Jazz-Besetzung (Klavier, Kontrabass und Schlagzeug): jazzy Organic-Funk-Hop. Er sehe sich auf dem Album auch eher als ein 'funky Preacher', denn ein traditioneller 'Cantautore', betont Jovanotti.

Soulmusik heißt auf Italienisch "La Musica Dell'Anima" – und im so betitelten Stück lobt der non-chalante Toskaner diese unter Einsatz gepfefferter Bläser-Riffs, die tief im Southern Soul gründen. Zur Suche nach einem Wunder, "Un Miracolo", passen die Bilder vom Treiben im verregneten, nächtlichen Big Apple ebenso gut wie die warme Ausgestaltung als Rock-Soul-Ballade. An der Balladen-Front findet sich außerdem das sentimentale "Senza Gravità".

Als weitere Spielarten malen Reggae-Rumba in "Pura Vida", Klezmer-Stimmung in "Magari" und Punjabi-Groove in "Ai Miei Amici" sowie Salsa-Pop in "Mucho Mas Que Dos" das Bild aus Brooklyn bunt. Im Clip-Material lässt sich gut wahrnehmen, wie wichtig Jovanotti all die zum Einsatz kommenden Instrumente sind, auch wenn es nur eine Triangel ist.

Der mittlerweile 59-jährige Rapper, Pianist, Schlagzeuger, Gitarrist und Singer/Songwriter hatte dieses Album nicht direkt geplant. Er schüttelte es während eines Kurztrips offenbar eher lässig aus dem Ärmel, inspiriert von persönlichen Begegnungen in New York: So traf er Binky Griptite, der einst die Dap-Kings mitgründete, das vielköpfige Spanish Harlem Orchestra, die peruanischstämmige Band Chicha Libre, Funk-Keyboarderin Morgan Wiley, Caìto Sanchez, Trommler von 79.5, außerdem die amerikanisch-indische Bhangra-Balkan-Brass-Gruppe Red Baraat sowie Soul-Sänger JP Bimeni und drei brasilianische Fusion-Musiker.

Das Zusammenwirken aller Beteiligten stellt den kulturellen Austausch bzw. das wechselseitige Hinhören in den Vordergrund. Die "Niuiorcherubini"-Session stellt insofern das Gegenteil der computerisierten Plug-In-Sounds dar. Jovanotti streift alles stilistisch zu Normierte ab und schöpft offenkundig mit Genuss aus der prallen Stimulation seiner Sinne.

Diese Reise führt auch zurück in die Zeit: Eingeblendete LP-Cover in den Visuals beschwören die Siebziger, dies wichtige Ära für den Soul und die Glanzzeit der Salsa-Szene. In die Platte sei daneben seine Liebe zum Buena Vista Social Club eingeflossen. "Niuiorcherubini" präsentiert sich als Herzensanliegen Jovanottis mit Vintage-Ästhetik und in einmaliger Handschrift.

Trackliste

  1. 1. Senza Se E Senza Ma
  2. 2. Ai Miei Amici
  3. 3. La Musica Dell'Anima
  4. 4. Pura Vida
  5. 5. Magari
  6. 6. Senza Gravità
  7. 7. So Solo Che La Vita
  8. 8. Mi Fa Felice
  9. 9. Resistente
  10. 10. Un Miracolo
  11. 11. Cado Verso L'Alto
  12. 12. Shiva Jam
  13. 13. Mucho Mas Que Dos

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