laut.de-Kritik
Der Folk weicht großem Ambient-Pop.
Review von Kai ButterweckVor zwei Jahren schien in Joy Williams' Leben noch die Sonne. Mit ihrem damaligen The Civil Wars-Partner John Paul White mischte sie weltweit die Charts auf. Allein in den USA verkauften sich die beiden letzten Tonträger des Duos, "Barton Hollow" und "The Civil Wars", mehr als 800.000 Mal. Alles lief wie geschmiert.
Doch dann war plötzlich Schluss mit lustig. Interne Unstimmigkeiten sorgten für das Ende von The Civil Wars. Joys Welt stand komplett Kopf. Sie wurde Mutter, kämpfte wie eine Löwin um ihre eingeschlafene Ehe und musste für ihren krebskranken Vater da sein. Das alles war zu viel für die Sängerin. Joy Williams erinnert sich: "Ich wusste nicht mehr, wo mir der Kopf stand. Ich verspürte den Drang, in diesem ganzen Chaos eine neue Stabilität zu finden."
Das einzige, das Joy während dieser Phase Halt gab, war die Musik. Sie schrieb 80 (!) Songs. Einer davon, "Until The Levee", legte den Grundstein für das, das folgen sollte. Joy Williams verspürte plötzlich wieder Kraft und Energie. "Until The Levee" zeigte das erste Aufflackern einer Flamme, die mit der Zeit immer größer wurde. Letztlich stand Williams vor einem Berg von Material, das sich nach mehr sehnte als nur der internen Befreiung zu dienen.
Joy Williams gab nach, sortierte die für sie wegweisenden Highlights sorgsam aus und schnürte daraus ein Paket namens "Venus". In diesem Kästchen tummeln sich die intimsten Gedanken der Sängerin, eingehüllt in ein Gewand aus zeitlosem Ambient-Pop.
Mit ihrer betörenden, engelsgleichen Stimme weckt Joy Williams Erinnerungen an Kate Bush, Kyla La Grange und Beth Gibbons. Die legen dort die Arme umeinander und setzen mit Hilfe von voluminösen Florence And The Machine-Anleihen ("Before I Sleep"), atmosphärischen Portishead-Einwürfen ("Sweet Love Of Mine") und zartbitteren Kuschelmomenten ("What A Good Woman Does", "Welcome Home") dicke Ausrufezeichen.
"Venus" ist das Pop-Statement einer Frau, die sich wiedergefunden hat. Joy Williams legt alles zu den Akten. Nicht nur den privaten Schmerz der vergangenen zwei Jahre, sondern auch das eher von Country und Folk bestimmte The Civil Wars-Klangbild. Statt gezupfter Gitarren hört man hier pointierte Synthie-Flächen, die sich mit zarten Beats umgeben. Immer wieder grüßen aus der Ferne Elektro-Effekte, sie sich um eine Stimme legen, die den Hörer von der ersten Minute an in ihren Bann zieht. Großes Klang-Kino.
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