laut.de-Kritik
Vom Youtube-Hype zum Festival-Kracher.
Review von David Maurer"Vorsicht vor Bands, die schon mehrere Kleidungsstücke auf den Markt bringen, bevor sie überhaupt ihr Debüt-Album veröffentlicht haben", heißt es bei genauerer Suche nach Jungle mitunter. Tatsächlich entwickelte sich um das Duo J und T in den letzten zwölf Monaten ein unglaublicher Hype - trotz, oder gerade wegen, ihrer mysteriösen Identität.
Nach Sweatshirt, Jacke, Shirt und Mütze steht nun endlich auch der selbstbetitelte Erstling zum Verkauf. Und mit dem dürften Joshua Lloyd-Watson und Tom McFarland ihre durch kultige Youtube-Klickmonster gewonnene Anhängerschaft nicht nur zufriedenstellen, sondern erheblich vergrößern. Denn der Sound, der das großartige "Busy Earnin'" zum Radiohit machte, findet sich auch in den übrigen elf Tracks wieder: ein groovender und melodischer Mix aus Electro-Soul und Funk, der mal mehr, mal weniger Raum für Interpretationen, aber immer reichlich Platz zum Tanzen bietet.
Von einem lärmenden Club-Banger ist "Jungle" jedoch weit entfernt. Stattdessen sorgen die blubbernden Bässe und elektronischen Spielereien für einen geradezu perfekten Festival-Sound, der ebenso zum Relaxen wie zum Feiern einlädt ("Drops").
Dabei verlassen sich J und T weniger auf Live-Instrumentierung als auf vielschichtig generierte Klangebenen aus dem Computer. Wer auf organische und kraftvolle Bläser hofft, wird somit enttäuscht. Ins ohnehin elektronisch geprägte Gerüst des Albums fügt sich die Instrumentierung aus der Dose dafür bestens ein.
Neben Funk-Gitarre, Keys und verträumtem Klackern, Schnipsen und Gurgeln beherrschen vor allem die mitreißenden, erheiternden Falsette der beiden Londoner das Bild der insgesamt zwölf Songs. Ob zu zweit ("The Heat") oder, wie in "Son Of A Gun" und "Accelerate", von zusätzlichen Vocals begleitet - irgendwo zwischen Bee Gees und Earth, Wind & Fire gelingt den Schulfreunden eine dezente Hommage an die Disco-Klänge der Siebziger.
Was sich in der meist eher entspannten denn überschwänglichen Stimmung der Platte andeutet, setzt sich in den Lyrics fort: "Jungle" will kein euphorischer Partyfeger sein, stumpfe Anheizer finden sich in den Zeilen nicht. Zwar bemühen von Liebeskummer getränkte Nummern wie "Julia" keine besonders originellen Motive, und gesellschaftlich motivierte Stücke à la "Busy Earnin'" verstehen sich höchstens als vereinfachte Kritik, jedoch kaum als differenzierte Beobachtung. Die meist vage gehaltenen Texte transportieren aber trotzdem sympathisch simple Botschaften und bleiben als seichte Singalongs durchaus im Gedächtnis.
Gleiches gilt für "Jungle" im Allgemeinen. Ohne musikalisch sonderlich anspruchsvoll zu wirken, bilden die zwölf Stücke ein launiges und eingängiges Debüt ohne jeden Aussetzer. Das Duo aus Großbritannien glänzt mit wunderbar tanzbaren Melodien und eignet sich genauso für die Open Air-Bühne wie fürs Wohnzimmer.
Dem aufwändig produzierten Hype werden Jungle mit ihrem ersten Studioalbum jedenfalls gerecht, denn vom erheiternden Sound der Londoner lässt man sich gerne begeistern. Ob das akribisch ausgeklügelte Konzept der beiden nun, da der Mythos gelüftet ist, jedoch auch den Festivalsommer übersteht und nicht in der Bedeutungslosigkeit verschwindet, müssen J und T mit ihrem nächsten Werk beweisen.
3 Kommentare mit einer Antwort
Album ist erste Klasse. Erinnert mich was an Kindness und auch Gayngs, nur dass das hier noch stärker Richtung Soul anstatt Indietronics geht. Bleibt nur noch zu sehen, ob es über den längeren Zeitraum überzeugen kann.
Ich finde das Album auch extrem gut! Bass und Percussion passen sensationell zu einander und die Beats sind unermüdlich. Für mich mit das Beste was ich 2014 gehört habe.
#fact.
unermüdlich triffts gut. dieses album kann gerne und immer wieder in endlosschleife laufen. eine schöne, gut produzierte hommage an disco, funk, soul und electro. auch heute noch (anno 2018) ein frischer sound, der seinesgleichen sucht. 5/5!