laut.de-Kritik

Stühle fliegen durch die Gegend, Saiten bersten: Der Moshpit ist eröffnet.

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Deutscher Punkrock ist beerdigt. Hinüber, erledigt, mausetot. Zur Auflösung von ...But Alive hatten wir ihm schon das Totenkleid angelegt. Zehn Jahre später, mit dem Ende von Muff Potter, trugen wir ihn endgültig zu Grabe, schweren Herzens. Seither schaut sich die alte Töle Deutschpunk die Radieschen von unten an. Von unten? Von wegen!

Jupiter Jones' neueste Scheibe verwandelt derartige Trauerklagen prompt in Lobgesang. Allein der erste Durchgang zeigt: Die Eifeler Jungs verstehen es nach wie vor, die Scheiße fett zu rocken. Unnötig auch, große Metaphern für den Viertling zu finden, ein simples Sinnbild reicht: "Jupiter Jones". Ein klares Statment sowie das Postulat, zu sich gefunden zu haben.

Anders als die Autoreferenz im Albumtitel implizieren mag, bedeutet das nicht unbedingt die Rückbesinnung auf Ursprüngliches. Einiges läuft unüblich im Vergleich zum bisherigen Opus: Hinter den typisch klassischen Punkgitarren-Riffs und den ordentlichen Bassläufen lugt schüchtern ein Synthesizer hervor, der dem Jupiter-Sound einen neuen Firnis verpasst. Zurückhaltende Streicher, gar Hammond-Orgel und Banjo finden ebenso ihren Weg in die Harte-Jungs-Instrumentierung.

Der Bogen zu früheren Werken ist dennoch von Anfang an geschlagen: Die Literaturfreunde graben wieder im Zitatekoffer und zaubern den alten Bekannten Hesse hervor. Dessen "Steppenwolf" steht Pate für die "Ansage": "Nun, jeder hat sein Los, und leicht ist keines".

Reif und schlau klangen Jupiter Jones' Zeilen immer schon, und nach wie vor bewegt man sich textlich auf recht hohem Niveau. Der persönlichen Dimension der Zeilen ist immer auch eine gesellschaftliche Relevanz abzugewinnen. Die Band thematisiert scheinbar Banales ebenso wie politisch-kritische Untertöne. Alltagsbeobachtungen ("Komm Bloß Nicht Nach Bad Bentheim") gesellen sich zu ironischen Kommentaren ("Berlin"), Empfindungsausdruck ("Still") zu Verstandesappell ("Hey! Menetekel").

Das alles emotional-kraftvoll wie eh und je hervorgepresst von Nicholas Müller. Seine unverkennbare Gewaltstimme geht, selbst wenn sie an Roheit eingebüßt haben mag, durch Mark und Bein. Unter tausend anderen würde man sie erkennen, sie ist das Herzstück der Band.

Und wo wir eben von alten Heroen sprachen: Gesang wie Songwriting rufen immer noch Marcus Wiebusch ins Gedächtnis, der mit ähnlicher Wucht und Vehemenz ...But Alive und die frühen Kettcar ins kollektive Deutschpunk-/Indierock-Gedächtnis einbrannte.

Ob der Pop-Appeal dem Wechsel zum Majorlabel zu danken ist, spielt keine Rolle. Kuschelig wirds trotzdem selten: Mit Nachdruck tun Jupiter Jones ihre Weltsicht kund, wie ein Aufschrei dringen die Songs durch. "Macht aus Reden endlich Gold - und glaubt, woran ihr glauben wollt".

Scheu vor Gefühlsregungen hatten Jupiter Jones auch noch nie - zum Glück: "Und wenn ich noch 1000 Lieder vom Vermissen schreib, heißt das noch nicht, dass ich versteh, warum dieses Gefühl für immer bleibt".

Geballten Zorn und Kummer, Sehnsucht und Selbstzweifel packen die Jungs in schöne Worte und einschneidende Melodien. Die alte Töle Deutschpunk bellt wieder. Und zwar laut. Stühle fliegen durch die Gegend, Saiten bersten, Schlagfelle platzen auf, Stimmbänder reißen. Der Moshpit ist eröffnet.

Trackliste

  1. 1. Ansage
  2. 2. Hey! Menetekel
  3. 3. ImmerFürImmer
  4. 4. Still
  5. 5. Alter Mann Wo Willst Du Hin?
  6. 6. Vater
  7. 7. Sonne? Scheint!
  8. 8. Berlin
  9. 9. Hier Oben (...Jupp)
  10. 10. Stück Vom Weg
  11. 11. Der Hund, Der Stock, Die Tür
  12. 12. Komm Bloß Nicht Nach Bad Bentheim

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