laut.de-Kritik
Gift, Galle und krachende Gitarren.
Review von Kai ButterweckIn engen Hinterhöfen, fünf Meter unter der Erde, tropft der Schweiß von warmen Belüftungsrohren. Es riecht nach ungewaschenen Achselhöhlen, vollen Aschenbechern und abgestandenem Bier. Hier im Dunkeln rotten sie sich zusammen: wild gewordene Studenten im Rebellionsrausch, bewaffnet mit Jutebeuteln und geballten Fäusten.
Jeder schwitzt, jeder schreit. Die Gesellschaft ist der Feind. Mittendrin sorgen Marathonmann, Turbostaat oder Frau Potz für den passenden Soundtrack. Aus den Boxen schallt kantiger deutschsprachiger Post-Punk. Irgendwo zwischen den wuchtigen Sounds von Refused, The Bronx und Turbonegro gehen die Akteure auf der Bühne in die Vollen; den Stinkefinger stets erhoben.
Auch die Jungs von KMPFSPRT haben die Nase gestrichen voll. Strunzdumme Nazis, verlogene Politiker und besessene Erfolgsmenschen: Wer die Wunschwelt von Richard Meyer, David Schumann, Dennis Müller und Nico van Hamme mit Füßen tritt, bekommt es mit Gift, Galle und krachenden Gitarren zu tun.
Anno 2016 schmeißt das Quartett noch eine weitere Zutat in den Topf. Neben scheppernden Drums, krakeelenden Gesängen und eben satten Gitarren machen sich auf dem neuen Album auch erstmals eingängige Harmonien breit: "Der Mut zur Melodie, ohne die punkige Auf-die-Fresse-Attitüde zu vernachlässigen, ist wahrscheinlich das entscheidende Kern-Element", sagt Gitarrist David Schumann. Da ist was dran. Bereits der Opener "Soundtrack Zum Aufprall" nistet sich mit New Noise-Attitüde während der Strophen und energiegeladenen Chören im Refrain in den Gehörgängen ein.
Auch der galoppierende Titeltrack, das nach vorne rockende "Ich Hör Die Single Nicht" und die hymnenhafte Nazi-Ohrfeige "Antithese" pendeln musikalisch zwischen Zuckerbrot und Peitsche. Wahlweise im Brüll-Modus oder clean, fast schon mit der Sanftheit des Singer/Songwritertums behaftet, positionieren sich die beiden Frontmänner Richard Meyer und David Schumann gegen jede Form von Rassismus, Nationalismus und Hass. Das haben andere vor ihnen natürlich auch schon getan, mitunter auch mit mehr lyrischer Finesse. Aber die Botschaften kommen an, und nur das zählt im Hause KMPFSPRT.
Neben einer entzerrenden Laut-Leise-Dosierung sammelt das zweite Album der Rheinländer auch noch Bonuspunkte im Bereich Songwriting. Hier und da sorgen ausgeklügelte Anfänge und Enden für frische Luft im stickigen Post-Punk-Keller ("Mit Anlauf", "Pamphlet"), und für eine dreiminütige Indierock-Rundreise holt man sich auch gerne weiblichen Background-Gesang ins Studio ("Wir Bleiben Wach").
So deuten am Ende beide Daumen nach oben, zumindest die derjenigen, die nach der Abi-Klausur einen auf Rebell machen. Spielt ja aber auch keine Rolle, woher der Widerstand kommt. Hauptsache er ist am Start.
7 Kommentare
dann ist das wohl leider doch nichts für mich.hab vorm abi den rebell gegeben.
Ungehört 1/5 oder auch: Kraftklub für diesen 1 rebellischen Typen im Abiballkommitée.
SCHSSE
TNYST1HRNSHN
Leider extrem abgeschmackt und klingt nach irgendwie nach zahnloser Randale ohne Sinn...
Ganz solide. Kommen immer noch nicht an Adam Angst heran aber wird. Weiter so.