laut.de-Kritik
Krisenbewältigung im Lotussitz.
Review von Maximilian FritzHeißt ein Album "The Mosaic Of Transformation", hat man es höchstwahrscheinlich mit ambitionierter elektronischer Musik samt tiefschürfend konzeptionellem Über- bzw. Unterbau zu tun. In Verbindung mit dem Cover, das Kaitlyn Aurelia Smith gleich vierfach in kaleidoskopischer Yoga-Pose zeigt, erhärtet sich diese Vorahnung, die bei radikalen Gegnern der sphärischen Synthesizer-Hippie-Kultur zu einer Befürchtung werden dürfte.
"I guess in one sentence, this album is my expression of love and appreciation for electricity", gibt Smith im Pressetext aber betont schlicht Entwarnung. Wer will, darf "The Mosaic Of Transformation" aber natürlich trotzdem als vertonte meditative Bewegungspraxis, als Synthese von Mensch und elektrifizierter Maschine betrachten, was Smiths vorab getätigte Äußerungen ebenfalls zulassen. Da Pressetexte aber kaum jemanden interessieren, fährt man am besten, wenn man sich die 40-minütige LP einfach anhört.
Viel Neues gibt es dabei zunächst nicht zu entdecken. Smith frönt nach wie vor ihrer Liebe zum bewährten wie verehrten Buchla-Synthesizer, dem sie, ganz in einer Traditionslinie mit Pionierinnen wie Suzanne Ciani oder Eliane Radigue stehend, mal betörende, mal sedierende, aber immer warme Tonfarben entlockt. Dazu gibt es vereinzelt sonoren, repetitiven Gesang wie auf "Remembering" an zweiter Stelle. Nicht alle Melodien kommen aber aus elektronischer Quelle, so sehr die Amerikanerin ihre Liebe für den Strom auch zum Ausdruck bringen mag.
Orgelklänge, die teilweise an die guten neoklassischen Momente Nils Frahms erinnern, Vogelgezwitscher, Blasinstrumente, ein durch und durch abgerundetes Instrumentarium ohne Ecken und Kanten begleitet die innere Einkehr. Dass das Album mit eindringlichen Mantras wie Tracknamen ("The Steady Heart") gerade jetzt erscheint, entpuppt sich für Smith tatsächlich zum unverhofften Glücksfall: Ambient und Yoga erfahren in der Corona-Isolation eine noch größere Popularität als ohnehin schon.
Obwohl das eben erwähnte "The Steady Heart" tatsächlich Drumming auffährt, bleibt die Marsch- bzw. Sitzrichtung doch klar vorgegeben. Die innere Einkehr ist das Ziel, das Arbeitszimmer soll auch ohne den LSD-Konsum der New-Age-Vorfahr*innen zum botanischen Garten werden – ohne kapitalistische Ansinnen zur Prozessoptimierung im Home Office, versteht sich. Das zieht zwar garantiert die eine oder andere Frotzelei nach sich – der Eso-Kitsch steht schließlich wie ein Elefant im Raum – funktioniert aber alles in allem grandios.
"The Mosaic Of Transformation" ist eines jener Alben, dessen Tracknamen man auch nach mehreren Durchgängen definitiv nicht verinnerlicht hat. Das gereicht in diesem Fall aber entschieden zum Pluspunkt, serviert Smith doch einen konsistenten klanglichen Fluss, der es gar nicht darauf anlegt, mit Pop- oder gar Schockmomenten künstliche Peaks zu erschaffen. Ein solcher könnte am ehesten noch "The Spine Is Quiet In The Center" sein, das zwischendurch in einen dramatischen Strudel abtaucht, sich aber betont behutsam aus dem Morast zieht.
Nach den clever betonten Intermezzi "Overflowing" und "Deepening The Flow Of", das mit exponierten Strings aufwartet, endet der Langspieler mit dem zehnminütigen Trip "Expanding Electricity". Ein würdiges Finale, das sämtliche Zutaten dieser Anti-Tour-de-Force zu einem finalen, epischen Schlummertrunk zusammengießt. Ein gelungenes Album mit unüberhörbaren esoterischen Registern, das – wie bereits erwähnt – auch ohne Drogen Spaß macht. Großes Kompliment!
1 Kommentar mit 2 Antworten
Scheint wohl den Weg von "Music For Meditation And Yoga" konsequent weiterzuführen. Hab auf dieses allzu Esoterische zwar nicht immer Lust, wird in der passenden Stimmung aber mal angecheckt.
Ja, ist ziemliche Hintergrundmusik. Finde eigentlich, in diesem Genre braucht es schon etwas sehr Außergewöhnliches, um auf einer Popmusikseite besprochen zu werden, aber warum nicht. 3/5 kann man da schon mal schulterzuckend in den Raum werfen.
Das Außergewöhnliche geht mir seit den Yoga-Sachen aber zunehmend verloren. Es ist halt Hintergrundmusik. Gerade "The Kid" hatte noch viele spannende Sounds, Rhythmen, Drehungen und Wendungen zu bieten. Ansonsten greif ich eher zur erwähnten Suzanne Ciana oder auch, gerade wegen der schönen Stimme, Sheila Chandra, wenn es etwas spiritueller sein soll.