laut.de-Kritik
In der Pose erstarrt.
Review von Dominik LippeZugegeben, Kalim eröffnet sein sechstes Album "B2B" mit einem gelungenen Gag. "Denkst du, mein Leben besteht nur aus Fünf-Sterne-Suiten und schicken Hotels? Denkst du, mein Leben besteht nur aus Bentleys, Porsches, Maybachs und G-Klassen Benz'? Denkst du, mein Leben besteht nur aus Chayas, die tanzen für Geld? Denkst du, mein Leben besteht nur aus fünfhundert Euro pro Flasche, die ich auf Party mit AmEx bestell’?", fragt er vermeintlich rhetorisch, um umso selbstbewusster die Antwort nachzuschieben: "Glaub' mir, du liegst richtig."
Damit fällt "1997" zum Einstieg nicht nur humorvoll aus, sondern zeugt auch davon, dass sich Kalim der Eindimensionalität seines jüngeren Schaffens durchaus bewusst ist. Das bedeutet allerdings nicht, dass er im Folgenden die totgelaufenen Trap-Trivialitäten gekonnt dekonstruiert. Vielmehr reproduziert er von "Uber" bis "Comme Des Garçons" seine Erzählungen über Clubs und Chayas, Spirituosen und Sportwagen wieder und wieder. Ja, er lädt sie gar weiter auf, indem er sich auf "Only Built 4 Cuban Linx" von Raekwon beruft, während es Bawer im Hintergrund uninspiriert elektronisch klimpern lässt.
Das Frauenbild fällt gewohnt negativ aus. Er klassifiziert sie nach optischen Kriterien, sie verbessern ihren Status stets durch Käuflichkeit. "Deine Bitch fährt ab auf das Porsche-Emblem. Sie hat kein' Bock mehr auf dein' Benzer von 2010", ätzt Kalim in "Nike Tech". Wohlhabende Frauen fallen entsprechend teurer aus. Für eine Loredana muss der Kandidat tiefer in die Tasche greifen, wie sie selbst bestätigt: "Wenn ich mehr Cash als du hab', dann ist das Date over." Zumindest stellt sie eine spannende Frage: "Sag', wer muss diesen Scheiß aufnehmen?" Im vorliegenden Fall traf es die arme Seele Stickle.
Generell bekleckern sich wenige Gäste mit Ruhm. In "Uber" ist der Rapper mit Reezy in Langeweile vereint. Bonez MC leistet in "Tracksuit" lediglich Dienst nach Vorschrift. Frappierend fällt der Unterschied hingegen zum UK-Rapper Headie One aus, der dem ungelenken Kalim zeigt, wie flüssig zumindest er sich über das Instrumental bewegen kann. Auch Luciano verpackt in "Rede Mit Mir" selbst Schwachsinn stimmlich ansprechend. Überraschend gut harmoniert der Hamburger mit RIN in "Resident Evil", das angetrieben von Produzent Reaf in rekordverdächtiger Kürze Laune macht.
Selbige vergeht Kalim in "Wartest Du Auf Mich", in dem er plötzlich Innerlichkeiten verhandelt. Bescheiden verweist er auf seine einfache Herkunft und die "eine Frau fürs Leben", die er jeder leicht verfügbaren Chaya vorziehe. Melancholische Schwere legt sich auch über "Licht Brennt". Während der Song eine Stimmung verströmt, als säße er in einer Zimmerecke, die angezogenen Beine fest umschlungen, rappt der Hamburger zugleich, als bereite er sich auf ein Western-Duell vor: "Ich kann nicht vergeben und ich kann nicht vergessen. Der Hass sitzt tief und sorgt für schlaflose Nächte."
Worum es ihm überhaupt geht, verschweigt er lieber: "Ich könnte so viel erzählen, doch dann landet dieser Scheiß auf'm Index." Selbst bei einem der wenigen Songs, die vorgeben, einen authentischen Kalim zu zeigen, müssen sich die Zuhörerinnen und Zuhörer mit der Vorstellung begnügen, dass sich hinter dem großen Nichts etwas verbirgt. "Millionär, unter 30, doch ich sitz' fest", heißt es in "Licht Brennt". Damit bringt der Rapper die für jeden hörbare Misere exakt auf den Punkt. Es erscheint völlig unklar, was er will und wohin es gehen soll. Er ist in der Pose erstarrt.
2 Kommentare mit 3 Antworten
Diese knapp 25 Minuten haben bei mir überhaupt keinen Eindruck hinterlassen. Handwerklich mag das bis auf die Features von RIN und Loredana ja alles top sein, aber das ist doch richtige Muzak. Keine Ahnung, wieso Kalim meint, dass Fans von "Thronfolger" mit diesem Album zufrieden sein sollten. Das war noch ein richtiges Album mit einer durchdachten Tracklist und Abwechslung. "T.O.T.Y." war auch schon eine 25-Minuten-Nummer, hatte aber immerhin noch einige Highlights. "B2B" dagegen könnte echt sein bis dato schwächstes Album sein.
Bin auch gespannt, ob er nochmal ein "Album" mit weniger als 20 Minuten Gesamtlaufzeit raushaut.
Dieser Kommentar wurde vor einem Jahr durch den Autor entfernt.
Wie auch alle Tracks höchsten 2:26 lang sind, und die beiden sind sogar noch Features. Längster Solo-Track ist 2:15, teilweise deutlich unter der zwei Minutenmarke, wirkt sehr wie Dienst nach Vorschrift, Hauptsache der Track wird lange genug gespielt um 0,3 Cent zu generieren.
Und dabei ist Kalim nach eigener Aussage als Perfektionist, der sehr lange an Tracks und Tracklisten rumdoktert. Sehr merkwürdig, diese Entwicklung...
komisch, was mit dem seit dem gelungenen thronfolger passiert ist