laut.de-Kritik
Schönklang mit Schulmädchen-Charme.
Review von Alexander CordasSchönklang mit Frauenstimme die muffzigste. Die Feuilletonisten der Republik wittern bereits die Verschwörung. Junge Schönheiten, die wissen, wie sie ein Instrument gerade spielen müssen, und noch dazu die Frechheit besitzen, gute Stimmen zu haben, stürzen sich auf die ahnungslose Klientel der Mittdreißiger, um ihnen die Kohle aus der Tasche zu ziehen.
Das riecht verdächtig nach musikalischem Tamagotchi oder Pokemon für Erwachsene. Die Illuminaten der Musikindustrie benutzen Jazz und Blues als Nutte, um sich in Zeiten der rückgängigen Verkaufszahlen einen großen Stück vom schrumpfenden Kuchen zu sichern.
Über ähnlich gelagerten Quatsch stolpert der Zeitungsleser dieser Tage, wenn er über das Phänomen Katie Melua liest. Dass bei der 19-Jährigen auch gute Musik im Spiel sein könnte, fällt meist links aus dem Artikel direkt in Ablage B. Schade eigentlich. Auch wenn sie es nicht schafft, an die wirklich hervorragenden Alben der vermeintlichen Konkurrenz anzuknüpfen, so hat "Call Off The Search" durchaus Einiges zu bieten. Arrangeur, Songschreiber und Produzent Mike Batt verpasst dem Album einen exquisiten Sound. Opulent instrumentiert und mit einer kräftigen Portion Pathos singt Melua sich durch ihr Repertoire.
Leider klingt die junge Frau exakt wie 19. Mit ihrer etwas kieksigen Stimme, die ansonsten glasklar und kein Wässerchen trübend erklingt, schafft sie es nicht ganz, den Hörer zu fesseln. Die Lieder selbst und auch die Auswahl der Covers (u.a. John Mayall und Randy Newman) lassen jedoch kaum zu wünschen übrig. Auch hier hat der alte Showhase Batt routiniert qualitativ gute Arbeit geleistet. Katies Eigenkompositionen können sich ebenfalls sehen lassen. In "Belfast" packt sie thematisch sogar das heiße Eisen Nordirland an.
Dass sie hierzulande bislang nicht sonderlich bekannt ist, mag auch mit der unglücklichen Kür von "The Closest Thing To Crazy" zur ersten Single-Auskopplung zusammen hängen. Der balladeske Track präsentiert die konservativste Seite des Albums und geht mit seiner klischeebehafteten Struktur vollkommen auf Nummer sicher. Ganz anders "My Aphrodisiac Is You". Der schleppende Rhythmus, dem kräftig tiefe Piano-Töne den nötigen Fluff verleihen, reißt mit und zählt zum Besten, was die Scheibe hergibt. Selbst wenn sie im Text davon schwadroniert, dass sie kein Gras bräuchte, um ihren Süßen toll finden zu müssen.
"Call Off The Search", Melua bläst die Suche ab. Sie hat ihren Märchenprinzen ins Herz geschlossen, wie sie im Titeltrack schmachtend erzählt. Ihren kongenialen Mentor hat sie mit Batt sicherlich gefunden. Um in die Liga ihrer Heldin Eva Cassidy aufzusteigen, die sie in "Faraway Voice" besingt, reicht es jedoch noch nicht ganz. Wenn es ihr gelingt, den naiven Schulmädchen-Charme aus ihrer Stimme zu eliminieren, dann könnte es glatt mit dem Illuminaten-Plan hinhauen.
Noch keine Kommentare