laut.de-Kritik
Der Soul-Wuschelkopf besticht durch originelle Gesangslinien und Texte.
Review von Stefan JohannesbergDas zweite Album des Soul-Wuschelkopfs Kelis ist wieder eine ganz feine Angelegenheit geworden, denn auch "Wanderland" besticht durch die Vorzüge ihres Debuts. Für die Produktion zeichnen einmal mehr ihre Hausproduzenten, die Neptunes, verantwortlich. Deren originell bouncende Beats passen vorzüglich zu den Vocals von Kelis. Ich würde fast so weit gehen, dass sie die einzige Künstlerin ist, die aus deren Instrumentals wirklich deepe Songs formen kann. Bei anderen Acts verkommen die Neptunes-Stücke meistens zu einfachen Clubtracks.
Nicht so bei Kelis. Entscheidend dabei ist aber nicht ihr stimmliches Talent, sondern viel mehr, wie sie dieses einsetzt. So weisen die Gesangslinien mal soulige, mal poppige Züge auf, die zuweilen ganz tief in den 80ern liegen. Der Hook von "Daddy" zum Beispiel könnte auch von einer Cyndie Lauper stammen. "Little Suzie" erinnert an Gruppen wie die Cardigans und beim "Perfect Day" wird in No Doubt-Manier gerockt wie Arsch.
Der absolute Höhepunkt ist aber das grandiose "Shooting Stars". Das Strophe-Bridge-Refrain-Schema wird ja bei Kelis immer etwas gestreckt und gedehnt, bestes Beispiel dafür ist dieser Track. Er beginnt sehr smooth mit einer wunderschönen Orgelmelodie und weichen Vocals von Kelis. Dann wird ihr Gesang merklich aggressiver, nur um nach kurzer Zeit wieder in der beruhigenden Orgel zu enden. Doch noch einmal wird ihre Stimme lauter, bevor sie und Pharrell von den Neptunes im Duett den Refrain zum Besten geben. Danach geht es wieder mit der ersten Strophe weiter, doch jetzt übernimmt Pharrell den anschließenden Part, in den auch Kelis später einsteigt, bevor der Song als Duett ausklingt. Wahnsinn.
Auch lyrisch dreht sich nicht alles nur um die stereotypen Themen wie Beziehungsprobleme und Liebe an sich. "Shooting Stars", "Digital World" oder "Mr. U.F.O. Man" sind absolut atypisch für den textlichen R'n'B-Einheitsbrei. Man darf und soll ja auch über Liebe singen, dann aber bitte schön so, wie es Kelis auf "Junkie" vormacht. Sie sitzt in einer Gesprächsrunde der anonymen Liebessüchtigen und darf wie bei den alkoholisierten Kollegen ihre Leidensgeschichte erzählen. Klasse.
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