laut.de-Kritik
Handwerklich reicht dem Bluesrocker so schnell keiner das Wasser.
Review von Philipp Kause"Mr. Soul" von Neil Youngs erster bekannter Band Buffalo Springfield zu covern, fordert heraus. Kenny Wayne Shepherd könnte es sich einfach machen und auf solche Abwege verzichten. Doch wer wagt, gewinnt: Es gelingt im Zusammenspiel mit seiner superben Band eine rauchig, elektrifizierte Fassung.
Dabei müsste man dieses Risiko gar nicht eingehen. Das Blues-Rock-Business läuft im europäischen Konzertgeschäft derzeit eh gut. Sogar Beth Hart zieht Kenny im Schlepptau als Hauptact mit, anstatt ihm die undankbare Rolle des namenlosen Supports zu überlassen. Beth und Kenny starteten ihre Karriere immerhin zeitgleich Mitte der 90er. Verkaufstechnisch hat ihn die führende Sängerin der Blues-Szene mit dem einstigen Poprock-Einschlag längst überrundet.
Shepherd blieb der Bluesrock-Tradition hingegen durchweg treu - starke Kollabos, Liebe zum Detail und eine beeindruckende Kenntnis des jüngeren amerikanischen Liedguts. Bei ihm geht es nicht primär darum, sich die Kehle aus dem Leib zu krähen. Befindet er dies als erforderlich, lädt er Kid Rock oder Warren Haynes ins Studio.
Auf "The Traveler" stellt sich Kenny nun selbst als Vokalist in den Mittelpunkt. Das lässt seiner Band zugleich mehr Raum. Das Highlight stellt das elegische "Turn To Stone" dar. Lange Textzeilen legt er über ein, zwei monotone Akkorde, die dann in eine untypische Kadenz gipfeln. Ein Refrain fehlt, ebenso das typische Gitarrensolo. Sattdessen folgt ein an Klangreizen reiches, orchestrales Instrumental.
Das elegische, wenngleich an US-Modern Country angelehnte "Gravity" sowie das stürmisch tänzelnde "We All Alright" stehen ebenfalls klar auf der Habenseite. Vergleichsweise schwach wirkt dagegen die vorhersehbare Hymne "Better With Time". Wenig inspirieren auch die zu nahe an Mellencamp stehenden Songs ("Tailwind", "Take It On Home"), das dauerpeitschende Gitarrengewitter "Long Time Running" und der Stomper "Woman Like You". Diese Songs laufen dem Überraschungseffekt der Platte zuwider. Über Albumlänge macht "The Traveler" trotzdem Spaß, zumal sich Kenny Wayne durchaus weiterentwickelt hat.
Die Besonderheit von "Mr. Soul" liegt etwa darin, dass es viele gute Coverversionen gibt, Kenny aber musikalisch noch einen drauf setzen kann. Er hat den Song im Griff: Hammond-Orgel, eine Marching-Bassdrum, funky feurige Bläsersätze im Stile der besten Stax-Zeiten samt langem E-Gitarren-Solo: Sein Gesang klingt vielleicht etwas zu heiser und beiläufig, aber der Titel für die actionreichste Version des Songs gebührt nun eindeutig ihm.
2 Kommentare mit einer Antwort
Sein bisher bestes Album.
"Auf "The Traveler" stellt sich Kenny nun selbst als Vokalist in den Mittelpunkt. Das lässt seiner Band zugleich mehr Raum. Das Highlight stellt das elegische "Turn To Stone" dar."
Eine sehr interessante und exklusive Schlussfolgerung. Kenny singt selbst bei 4 der 10 Lieder, also ziemlich ähnlich wie auf den letzten Alben. Dann "Turn to Stone" als Beispiel aufzuführen ist noch etwas interessanter, da hier Noah und nicht Kenny singt.
Nach erstem Durchhören ziemlich solide. Würde mich nochmal über ein Album von den "Rides" freuen, sollten diese sich nochmal dazu entschließen.
Das R in "laut.de" steht wohl mal wieder für Recherche.