laut.de-Kritik

Erstaunlich, dass die Krippe noch steht.

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Das Cover erzählt eine Geschichte: Vorne links steht ein drahtiger, brüllender Junge mit geballter Faust, im Hintergrund ein rundlicher mit nacktem Oberkörper, der mit ernstem Gesichtsausdruck ein Wrestlingmeister-Gürtel-Imitat in die Höhe hebt. Erstaunlich, dass der Plastikweihnachtsbaum und die Krippenfiguren noch stehen. Von einem Erwachsenen sind unten rechts nur ein stattlicher Bauch und ein leeres Whiskey-Glas zu sehen. Nachschub vermutlich dringend benötigt.

Passend zum Kampf, der sich da offenbar abspielt, beginnt der New Yorker Singer/Songwriter Kevin Devine sein neuntes Studioalbum punkig-grungig. Wenig verwunderlich bei der Wahl des Produzenten, jenem John Agnello, der in den guten alten 90ern schon für Dinosaur Jr. und Sonic Youth tätig war. Auch wenn die eher poppigen Melodien von Green Day oder Pearl Jam stammen könnten.

Die ruhigen, folkigen Stücke jedoch (drei an der Zahl) lenken die Aufmerksamkeit auf Devines kritische Texte. Angefangen bei "Freddy Gray Blues", in dem er unbarmherzig den brutalen Tod eines 25-jährigen Schwarzen in Baltimore 2005 durch die Polizei erzählt. Er selbst stamme aus einer Polizistenfamilie und man könne nicht alles über einen Kamm scheren. Doch sieht er auch keinen Ausweg: "And I know not every cop is a racist, murdering cop / But this is bigger than the people I love / The system's broken / Not breaking / It's done", so die nüchterne Erkenntnis in den letzten Zeilen.

Warum? "There's no why", hatte er schon im Opener festgestellt. In der wieder grungigen Singleauskopplung "No History" erinnert sich Devine an den 11. September 2001, den Tag, an dem sich alles änderte. Keine Geschichte mehr, die einen lehrt, an deren Stelle eine Zukunft, die die gefletschten Zähne eines ewig währenden Krieges zeigt. "The blood and money didn't fix anything / We've grown accustomed to the depths of the danger / This is the future: Severe and always happening", so Devine.

In "Both Ways" analysiert er treffend die schizophrene Eigenwahrnehmung, die im US-Wahlkampf deutlich zutage trat. "You can't be the bully / Then conveniently claim you're oppressed / Can't blow people's countries apart / And demand that they clean up the mess": eine gute Beschreibung für Donald Trumps Vorgehensweise.

Doch zum Glück gibt es auch noch den einen oder anderen Lichtblick. Liebe zum Beispiel ("Magic Magnet"), auch wenn sie nicht alles zu heilen vermag, wie Devine im wieder ruhigen "No One Says You Have To" feststellt: "It gets so lonely inside my mind / But I'm surrounded in love all the time."

Das Album endet mit einer weniger wütenden als melancholischen Note. Devine erinnert sich an die Szene auf dem Cover, einem glücklichen Tag als Wrestler mit seinem besten Freund. "I Was Alive Back Then", stellt er im Titel und im Refrain fest. "Now, I am again", ganz zum Schluss. Immerhin.

Trackliste

  1. 1. No Why
  2. 2. Instigator
  3. 3. Magic Magnet
  4. 4. Freddie Gray Blues
  5. 5. No History
  6. 6. Daydrunk
  7. 7. Both Ways
  8. 8. No One Says You Have To
  9. 9. Guard Your Gates
  10. 10. Before You're Here
  11. 11. I Was Alive Back Then

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