laut.de-Kritik
Ein scharfer und satirischer Befund der afrikanischen Verhältnisse.
Review von Robert PenzDer Mann, der vor rund 20 Jahren noch die Pariser Metro mit der Gitarre beschallte, ist nun eine Art Superheld. Mit seinem in rund zehn Jahren geschnitzten Alter Ego Captain Rugged steigt Keziah Jones im Chaos der nigerianischen Stadt Lagos gleichsam auf einen hohen Baum, um die Lage der Nation zu überblicken und politische Stimmungen sowie soziale Verhältnisse einzufangen - Lokalmatador und Apologet der afrikanischen Sache in einer Person, Augenzwinkern inklusive.
Keziah Jones, der sich als Captain Rugged sprichwörtlich das Mäntelchen des Superhelden umhängt, nimmt seinen Kampf mit instruktiven Lyrics, feiner Ironie und bewährten Klängen auf – dem Blufunk, seinem sachverständigen minimalistischen Funk-Rock samt perkussivem Einschlag und sporadischen Reggae-Bremsen, den er dazu mit nigerianischen Yoruba-Rhythmen paart. Das Resultat ist ein scharfer und satirischer Befund der afrikanischen Verhältnisse im Zeitalter des Postkolonialismus.
Es gilt, den Rest der Welt von der Meinung abzubringen, das Leben sei primär ein chaotisches und hungerndes auf dem schwarzen Kontinent. Zwar wolle er schon auch traurige Geschichten von Flüchtlingen, Einwanderern und Exilanten erzählen - eine von der Modernität des Kontinents aber ebenso, so der Künstler sinngemäß.
Bereits im Opener, "Afronewave", zeigt der Blufunker, wo es in den nächsten 45 Minuten hingehen soll. Mal zieht er die Stimmbänder hoch, mal lässt er sie tief fallen, während er die Saiten seiner großen Liebe heftiger anfasst. "Fuck what you heard. Act like you know!", erinnert er im psychedelisch anmutenden Einsteiger, um eines rasch klarzumachen: so und nicht anders, Alter!
Es ist der Facettenreichtum des Gitarreros, der auf "Captain Rugged" den Ton angibt, die Dramaturgie bestimmt und die Spannung am Köcheln hält. Ohne das brachiale Slappen und die für seine Verhältnisse härtere Arbeit am Instrument, die einem vor allem in der ersten Albumhälfte begegnen, könnten sich die zart angespielten Töne und eleganten Akkorde nie so behaglich niederlassen ("Lunar", "Falling"). Der Abschluss "Praise" gibt dann die Gelegenheit, noch ein bisschen zu kuscheln. Insgesamt betrachtet ist alles dabei: Mit "Nollywoodo" sogar ein Afrobeat-Titel, der sich mit der nigerianischen Filmindustrie beschäftigt.
Auf seinem sechsten Studioalbum macht Keziah Jones wieder vieles gut und richtig. Einzig einen leichten Mangel an Innovation könnte man monieren. "Weise ist, wer seinen Besitz wahren kann", heißt ein Sprichwort aus Afrika. Vielleicht lags ja daran.
1 Kommentar mit einer Antwort
Oh ja, Keziah Jones ist immer wieder ne ganz große Nummer!
Übrigens solltet ihr Euren Eintrag zu seinem Album "Liquid Sunshine" mal korrigieren!