laut.de-Kritik
Auf den Spuren der ganz Großen.
Review von Kai ButterweckIm Spätsommer seines Lebens angekommen, rückt Kiefer Sutherland immer mehr von seinen einstigen Lastern ab. Von einem weiteren Gefängnisaufenthalt oder ausufernden Alkoholexzessen ist der 55-jährige gebürtige Brite mittlerweile genauso weit entfernt wie die SpVgg Greuther Fürth von einem Champions-League-Platz. Während der Pandemie hat der "Jack Bauer"-Darsteller sogar das Rauchen aufgegeben. Auf seinem dritten Studioalbum "Bloor Street" geht es nun auch musikalisch ruhiger und gemäßigter zu.
Nach einem siebenminütigen Einstieg, bei dem sich die glattgebügelte Essenz aus Americana, Singer-Songwriter-Pop und Country mit der rauchigen Stimme des Protagonisten paart ("Bloor Street", "Goin Down"), stößt Kiefer Sutherland mit dem treibenden "Two Stepping In Time" erstmals Inspirationsgetuschel an. Mit der abgedämpft rockenden Akustikgitarre singt sich der Schauspieler und Musiker in die Herzen der Bryan Adams-Anhängerschaft.
Hätte der gute Everlast ein bisschen mehr für lupenreinen Pop übrig, dann würde er einen Song wie "So Full Of Love" wahrscheinlich mit Kusshand in sein Repertoire aufnehmen. Die geschmeidige Knast-Ballade "County Jail Gate" zaubert dann dem einen oder anderen Springsteen-Fan ein Lächeln ins Gesicht. Kiefer Sutherland bedient sich überall da, wo es am meisten Sinn macht – und das ist nun mal bei den ganz Großen der Branche.
Neue musikalische Erkenntnisse fördert "Bloor Street" sicher nicht zu Tage. Das macht aber nichts. Was sich hier solide und handzahm von Grammy-Preisträger Chris Lord-Alge (Keith Urban, Carrie Underwood) produziert präsentiert, ist handgemachte Countryrock-Kost ohne größere Ecken und Kanten, die dennoch gut ins Ohr geht. Das liegt vor allem an den vielen, sich schnell einprägenden Melodien, die der inhaltlichen Tiefe einen durchgehend positiven Vibe zur Seite stellen.
Kiefer Sutherland singt über die verzweifelte Suche nach Liebe, rostige Gefängnistüren und die omnipräsente amerikanische Sehnsucht nach Nostalgie und Freiheit. Kurz vor Feierabend gibt es "Nothing Left To Say". Das Saloon-Klavier dreht noch einmal kurz auf, die Klampfen laden zur letzten Line Dance-Runde ("Set Me Free") und der Hauptdarsteller findet im Duett mit einer liebreizend mitträllernden Kollegin seinen Frieden ("Down The Line").
Wer jetzt in Trance vergisst den Stop-Button zu drücken, der landet automatisch wieder in der "Bloor Street", der Straße in Toronto, in der Kiefer Sutherland einst aufwuchs: "Ich habe mein Leben echt genossen. Und es begann dort. Es ist eine Art Dankeschön an diese vier Straßenecken für all das, was später kommen sollte." Wer die Sutherland-Biografie ein bisschen kennt, der weiß: Das war nicht wenig.
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