laut.de-Kritik
Sixties-Hommage mit leicht abgedrehtem Videoclip-Charme.
Review von Katja ScherleDie 60er Jahre kehren ja immer wieder mal wieder. Ein prägnantes musikalisches Beispiel liefern uns schon seit ein paar Jahren die guten Mando Diao, die sich das Beste des Jahrzehnts greifen und es beglückend in die Zeit nach der Jahrtausendwende transponieren.
Noch konsequenter praktizieren dies King Khan And The Shrines: Ihr drittes Album "What Is?!" greift sich einen wahrlich bunt verschwurbelten Strauß aus Sixties-Reminiszenzen. Dieser wird dann nicht wirklich ins Heute mitgenommen. Größtenteils verharren die Klänge der Band stattdessen komplett in der längst vergangenen Dekade.
Und so meint man tatsächlich, irgendwie nach dem Einlegen der CD auf dem Weg zum Sofa in ein Wurmloch getappt zu sein, das einen in eine Zeit zurückbringt, in der weder man selbst noch Frontmann King Khan bereits gelebt haben. Der erste Song "(How Can I Keep You) Outta Harms Way" gemahnt bereits in seinen ersten Takten an das Rolling Stones-Immergrün "Satisfaction". Knapp und deutlich werden die Gitarren geschlagen, schnell stellt sich ihnen eine Gruppe Bläser zur Seite und bildet ein einprägsames Motiv, das den Rest des Songs gefällig durchzieht. Der Gesang erinnert ebenfalls an die beiläufige Leidenschaft des Mick Jagger.
Die Drums reisen in ihrer Tambourinlastigkeit ebenfalls zurück in die Zeit, als mit Web 2.0 höchstens die neueste Blumenflechttechnik assoziiert werden konnte. "I Wanna Be A Girl" erinnert mit seinem fast blechernen Schlagzeugklang an längst vergangene Produktionszustände. Spätestens beim "Aaaah"-geschrieenen Refrain ist die durchdringende Zeitverschiebung offiziell: Ein ähnliches Tonleiter-Motiv wie das aus dem Stones-Song "Paint It Black" trägt den Song als charmantes Sample.
Wo es bisher vor allem nach Leder roch, wehen beim dritten Track auch die langen Kleider. Mit ruhigerem Rhythmus, Tambourin und Orgeln klingen The Mamas And The Papas an. Auch die Bläser dürfen wieder und werden unterstützt von einer Stimme, die auch Alex Turner von den sehr jetztzeitlichen Arctic Monkeys gehören könnte. Der Stil ist etabliert, von nun an sind es nur noch Feinjustierungen, die die Songs unterschiedlich klingen lassen. Mal setzen die Bläser erst später ein, mal ist die Orgel nur im Hintergrund zu hören, mal ist der Gesang weniger stark geschrieen, mal setzt das Gitarrensolo – immer recht klassisch anzuhören – schon nach der ersten Strophe ein. Je länger die Zeitreise dauert, desto mehr wird sie schließlich auch zum Trip.
Mit Verzerrerspielchen und immer undurchsichtigeren Klangarrangements wird zunehmend deutlich, wem jetzt gehuldigt werden soll: selbstverständlich Jimi Hendrix. Psychedelisch wabert die Platte durch Flöten, französischen Gesang und jazzige Tonfolgen. Bis sie in dem in weiten Stücken instrumentalen und so gut wie melodiefreien "Fear & Love" ihren Höhepunkt findet.
Das darauf folgende "The Ballad Of Lady Godiva" ist als Schlusstrack so klassisch, wie es ein Lied auf einem derartigen Album überhaupt noch sein kann. Fast etwas melancholisch bittet ein Akkordeon im Hintergrund den Hörer verhältnismäßig sanft aus dem Album hinaus.
"What Is?!" glückt als eine mit ein wenig abgedrehtem Videoclip-Charme gewürzte Hommage an das Jahrzehnt, das dem Rock dieser Tage wohl der Godfather schlechthin ist. Als eigenständiges Werk allerdings kann es nicht ganz so ernst genommen werden. Denn wer will schon neue Stones oder Steppenwolf, wenn die alten ihre Sache bereits bestens gemacht haben?
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