laut.de-Kritik
Kommen sechs Finnen aus dem Wald ...
Review von Franz MauererWie gewohnt im Hause Korpiklaani ist irgendwie viel und doch nichts neu. Mit Olli Vänskä gibt es einen neuen Violinisten, der seinen Stempel merklich auf "Rankarumpu" hinterlässt. Die Single "Saunaan" schrieb er bei der Gelegenheit, wobei der auch erst ein Album alte Schlagzeuger Mikonnen die Lyrics verfasste (sowie für "Kalmisto"). Und da sind wir wieder bei dem, was sich absehbar nicht ändern wird: Die Lyrics handeln vom Saunieren. Den Rest der Texte schrieb Bandchef Järvelä zum ersten Mal seit langer Zeit selbst, und wie zu erwarten, handeln sie meist von finnischen Wäldern und Artverwandtem, als würde hinter allem das finnische Tourismusministerium stecken.
Das ist bei Korpiklaani aber eh nicht so entscheidend, verstehen tun das die wenigsten ihrer Fans. Sie schätzen vielmehr die Dynamik der Band und das irgendwie wohlige Gefühl, das die Finnen vermitteln. Musik für den Versicherungskaufmann, der sich am Wochenende ins Mittelaltergewand wirft - ohne implizierte Wertung. Schon der Opener "Kotomaa" stellt das wiedergewonnen Tempo der Band klar, die Mid-Tempo-Zeiten sind vorbei.
Interessanterweise schaffen die Finnen das, ohne den Metal-Anteil hochzuschrauben. Vänskäs Violine dominiert neben Sami Perttulas Akkordeon, das einen deutlich prominenteren Platz zugeordnet bekommt. Der Opener verdeutlicht diesen neu gefundenen Bandgedanken mit viel Gruppen-Gesangsanteil, das hört sich erstaunlich frisch an. Die Lyrics sind eine Sache, die Musik erreicht die Schamgrenze jedenfalls nicht und fühlt sich eben nicht nur wie Fanservice für eine spezielle Gruppe an.
Das gilt auch für "Tapa Sen Kun Kerkeet", das sogar noch ein Stück drängender ausfällt und vor allem Perttula (höre auch: "Oraakkelit") so hervor stellt, dass die instinktive Frage aufkommt: Warum haben nicht mehr Bands einen Akkordeonspieler? Die andere (und meist deckungsgleiche) Gruppe, die die Nordlichter in ihrer Bandgeschichte gerne mal bedienten, waren Besoffene. Aus ihrer Diskographie ließe sich locker ein Album zusammenstellen mit Songs, die sie offenkundig zum Saufen schrieben; das muss nichts Schlechtes sein, das lehrten uns schon Die Kassierer, bei den Finnen verkam es aber oft zu stumpfer Grölerei.
Der schon erwähnte "Saunaan" ist dann gleich auch der schlechteste Song des Albums, er outet sich auch ohne finnisch-ugrische Sprachkenntnisse als Suffsong. Das bleibt aber ein Ausrutscher: Selbst bei "Aita" mit seinem ausladenden, repetitiven Charakter, in dem die Finnen die Kitschgrenze austesten, fangen sie sich rechtzeitig, bevor der Track abdriftet. Wo früher ein Song wie "Mettän" falsch abgebogen wäre, ist er nun Albumhighlight und eine treibende Nummer, die Stumpfsinn gegen Intuition austauscht. So ein Song ist kein Ausrutscher, man merkt, man hört hier einem weit mehr als soliden Kollektiv zu.
Korpiklaani wirken nicht nur auf dem tollen "Mettän" zu jeder Zeit so, als würden sie genau tun, was der Bandsound gerade verlangt. Die Soli wirken eben nicht wie auf einer Checkliste abgearbeitet, sondern die eingängigen (nicht: simplen) Songideen werden mit so viel Hingabe und Detail gefüllt, so dass das Ergebnis sich tatsächlich schmachtend, hart und organisch zugleich anhört. "Nouse" könnte unglaublich leicht abschmieren und zum Jahrmarktgedudel verkommen; tut es aber nicht. Das gilt für den Closer "Harhainen Höyhen" erst recht. Wäre Danzig noch bei Sinnen und Finne, so klänge er.
Das ist ein richtig guter Song, dessen Kontext aber nicht nur kein Selbstzweck oder PR, aber auch nicht mehr Kostüm ist, sondern notwendiger Teil seiner Identität. Korpiklaani scheinen die Balance tatsächlich gefunden zu haben und die Beharrlichkeit, mit der Järvelä die Meinung vertrat, er sei als Songschreiber für ein ganzes Album gut genug, hat sich endlich ausbezahlt. So machen die Finnen nicht nur Lust auf ein bestimmtes Lebensgefühl, sondern geben in jedem Kontext Sinn, weil sie ihr Ding zum Hörer tragen und nicht mehr andersherum.
Alles alles gelingt dann doch nicht, das bleiben aber Ausrutscher. "Kalmisto" nimmt keine Fahrt auf und richtet sich nie überzeugend in einer Tempostufe ein. Auch der Titeltrack gehört nicht zum besten, weil der Fluss, der sich auf "No Perkele" (für Fremdsprachenflucher: Verdammt) so scheinbar von selbst einstellt und das im Übrigen einer der wenigen Songs ist, in denen Gründungsmitglied Cane ein alleinstehendes Riff platzieren darf. Da merkt man dann aber erst, wie stark, da natürlich und unauffällig und nicht konstruiert der Rest des Albums ankommt.
Schweift die Band vom neu gewonnenen Tempo ab, geht der Anfang von "Viikatelintu" wie auch der lahme Refrain daneben. Nur rocken sie dazwischen so unwiderstehlich, dass selbst so ein Song noch richtig gut gerät. Man muss kein "Oraakkelit" sein, um den Finnen Stabilität im gefundenen Bandgerüst zu wünschen. Auf diesem Niveau ist noch vieles möglich.
1 Kommentar mit einer Antwort
Wie mir mein verlässlicher Spion aus The Länd berichtet, ist die JBL Boom im Schlossgarten heute Abend ganz schön am Glühen!
Allein für "The Länd" wünsche ich Dir ein Furunkel am Arsch!