laut.de-Kritik

Eigenwillig und doch eingängig, sanft und doch nicht schmalzig.

Review von

Kungfu – "Kungfu". Wenn eine Band nach einigen Platten plötzlich ein selbstbetiteltes Werk veröffentlicht, dann oft weil sich intern entweder sehr viel oder sehr wenig getan hat. In diesem Falle hat sich einiges verändert: Bassist Tobias und Drummer Sebastian, die noch auf dem Debut "Glaskugelsammelbehälterkasten" spielten, haben die Band verlassen, um sich auf Seeed zu konzentrieren. Statt dessen bearbeitet seit 2001 Reiner Hubert von Pornomat das Schlagzeug und Thomas Merkel die Bass-Saiten. Es ist natürlich immer heikel, die halbe Band auszutauschen, aber in diesem Fall hat das nicht schlecht getan.

Auf "Kungfu" regiert kein Schmachten und kein Heulen mehr: Hier gibt's kantigen deutschen Crossover-Grunge-Rock auf die Ohren. Spätestens der zweite Track räumt jeden Zweifel aus: Am Sound von Kungfu lässt sich nichts aussetzen. Egal ob es am Titel liegt (schon historisch kann ein Song mit dem Titel "Sandman(n)" gar nicht schlecht sein) - dröhnen diese bösen Bass-Akkorde aus den Boxen, ist der Griff zum Volume-Knopf vorprogrammiert. In Richtung 'Könnten sie mir kurz das Trommelfell polieren bitte?', versteht sich.

Auch der Rest des Albums schlägt sich wacker. "Star", "Astronaut" und die Single "Cool" qualifizieren sich absolut für meinen heimischen CD-Player. Selbst wenn "Cool" ein bisschen schockt: Bei den ersten drei Akkorden lässt sich der (Cranberries-) Zombie kaum überhören, der an die Tür klopft. Aber keine Angst, "Kungfu" ist zu 99% es selbst: Eigenwillig und doch eingängig, manchmal sanft – siehe "Augenblick" – und doch nicht schmalzig, ein klein wenig glitzernd, und trotzdem lässt sich der Kitsch-Glanz mit dem Pulloverärmel abwischen.

Dafür sorgen vor allem der herrlich kaputte Gitarrensound und die Stimme von Jan Lafazanoglu. Grob gesehen irgendwo zwischen Matthew Bellamy von Muse, Marilyn Manson und Kim Frank von Echt liegend, kann mich der verzweifelte, aber harte Gesang des Frontmans weit mehr überzeugen als einst Jan Plewka von Selig. Jan war es auch, der sich auf Sri Lanka zwischen Gewehrfeuer und Teeplantagen den Texten widmete.

Und über die lässt sich streiten. Klar, post-schulische Surrealismen à la "Ich liebe diese Zeiten / in denen sich Ungereimtheiten weiten" sind nicht das Wahre, aber auch die Ausnahme. Statt dessen zeigen viele Metaphern eine größere Reife. Zu sehen an "Ich bilde mir ein / ich schmecke Metall" oder "Um mich stehen die gleichen Leichen wie vor drei Stunden schon". Da kann man auch über das vollkommen bescheuerte 'Zensur-Piep' auf dem Wort "Panik" hinweg sehen.

Also, um es noch mal entsprechend zu würdigen: Die Jungs rocken, und wer den Sound noch nicht gehört hat, der hat was verpasst.

Trackliste

  1. 1. Im Seitenstreifen
  2. 2. Sandmann
  3. 3. Wir Wolln
  4. 4. Star
  5. 5. Augenblick
  6. 6. (Bin Ein) Ping Pong
  7. 7. Cool
  8. 8. Sitschwitzer
  9. 9. Untergrund
  10. 10. Astronaut
  11. 11. Gestern
  12. 12. 3-Sonn

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