laut.de-Kritik
Großes Gefühlskino, inklusive Freifahrtschein in die Finsternis.
Review von Kai ButterweckDüster, melancholisch, opulent: es bedarf nur wenige Augenblicke des Openers "Walk Through Walls", ehe sich Englands neue Gothic-Folk-Queen Kyla La Grange vor dem geistigen Auge des Hörers als in schwarz gehüllte Dunkelvariante von Florence Welch positioniert.
Um einiges kratziger, aber ebenso episch veranlagt wie der Großteil des bisherigen Schaffens ihrer Elfenreich-Mitstreiterin, stampft der "Ashes"-Einsteiger druckvoll und fulminant produziert aus den Lautsprechern. Auch das nachfolgende "Courage" bewirbt sich mit kraftvollen Beckenschlägen und hymnenhaften Refrain für kommende Tolkien-Soundtrack-Projekte.
Doch spätestens mit dem anschließenden "I Could Be" verlässt die Britin die pompösen Imladris-Weiten und verleiht ihrer Sehnsucht nach finsteren Gefilden mehr Nachdruck. Urplötzlich wandelt sich auch die Stimmfarbe der Insulanerin. Ähnlich rauchzart wie Beth Gibbons haucht sie eingängige Melodien um kantige Background-Strukturen herum, ehe sie sich auf "Torn In Me" als wahrhaftiges stimmliches Multitasking-Talent präsentiert. Irgendwo zwischen Kate Bush und Ofra Haza entschwinden die Harmonien in bittersüßen Höhen und sorgen dabei für permanente Gänsehautschübe bei Freunden melancholisch triefender Klänge.
"Vampire Smile" bietet dreiminütigen Neo-Folk in Perfektion, während "Woke Up Dead" seinem Titel alle Ehre macht und sich wie ein finsterer Schatten nach und nach dem Licht nähert. Auf "Been Better" rücken wieder angezerrte Sechssaiter in den Vordergrund, die dem ausgeklügelten Melodiethema aber stets genug Freiraum lassen.
Das balladeske "Heavy Stone" erklimmt letztlich den Gipfel des Albums. Durchzogen von großer Traurigkeit bewegt sich der Song nur eine Armlänge von wattigen Wolkenbergen entfernt auf einem schmalen Grat zwischen Kitsch und Kunst. Mystisch und unruhig läutet "You Let It Go" das Finale ein und macht nach dem letzten Seufzen der Sängerin Platz für nahrhafte Wechselspiele zwischen Gitarre und Schlagzeug ("Catalyst") und wummernder Tiefenelektronik ("Lambs").
"Ashes" ist ein düsteres Melancholie-Schwert mit schwerem Griff und einer rasiermesserscharfen Klinge, sorgsam verstaut in einer seidenen Scheide. Stets bereit um tiefe Wunden zu schlagen, aber im Grunde nur als warnender Schutzschild fungierend. Kyla La Grange schiebt die wuchtige Waffe vor sich her, mit tränenreichen Momentaufnahmen vor Augen und der Hoffnung auf bessere Zeiten im Herzen. Großes Gefühlskino, inklusive Freifahrtschein in die Finsternis gefällig? Bitteschön!
3 Kommentare
Ich würde mich sehr über eine Rezension dieses grandiosen Debut-Albums freuen!
...vielen Dank! Mit den 4 Sternen gehe ich d?accord.
Ich bin gespannt, was wir noch von ihr hören werden.
Auch schön. Dieses 2013 lässt sich gut an.