laut.de-Kritik
Blasmusik, Kuhstall und steigende Milchpreise.
Review von Amelie KöpplLive im Kuhstall - perfekter können sich die Chiemgauer Buam um Frontmann Stefan Dettl gar nicht von ihrer Schokoladenseite zeigen. Live sind LaBrassBanda ohnehin eine Institution und reißen selbst den letzten Blasmusik-Miesepeter mit. Und der Kuhstall? Na, der erklärt sich von selbst.
Für ihr zweites Live- und gleichzeitig erstes Kuhstallalbum, das den wundervoll bayrisch-humoristischen Namen "Kiah Royal" trägt, haben LaBrassBanda sogar den ein oder anderen illustren Gast zu sich geladen. Dass die Platte nicht nur durch die Anwesenheit von Rocko Schamoni und Stephan Remmler eine gewisse Eleganz im Gegensatz zu 360 km/h-Platten wie "Habedieehre" aufweist, bestätigt sich vor allem in der Instrumentierung. Die Standard-Brass-Besetzung wird aufgelockert von sanften Bongos und Percussioninstrumenten oder dem ein oder anderen Klavierstück. Bereits "Europa" machte einen sehr gereiften Eindruck. Mit "Kiah Royal" ziehen LaBrassBanda nun eine Bilanz der letzten Jahre voller Hits, ESC-Songs und unendlich viel Liveerfahrung.
Das Album, das auch als Live-DVD erhältlich ist, beginnt mit zwei Songs aus "Übersee". "VW Jetta", dass schon als Albumversion eine gewisse Gemächlichkeit aufweist, unterscheidet sich lediglich in der etwas aufwendigeren Instrumentierung. "Bauersbua", das auch auf "Übersee" direkt nachfolgt, verwandelt sich vom zackigen Bläserstück in eine elegante Akustikgitarrenversion.
"Der Mond" besitzt auf "Kiah Royal" keinerlei Ähnlichkeit zu "Mond" auf der Premium Edition von "Europa". Der popliteratische Schriftsteller und Musiker Rocko Schamoni dichtet sich als stiller Beobachter durch die loungige Nummer, die nur noch in sanften Ansätzen an LaBrassBanda erinnert. "Schweden" hingegen schlängelt sich trotz immer wieder einsetzendem Klaviergeplänkel entlang der lässigen Linie des Originals und lässt dabei stilvoll den ursprünglich starken Bass einfach weg. Ähnlich klavierlastig gestaltet sich "Ofree", das bereits als Liveversion auf "Live Olympiahalle München" zu finden war.
Im nächsten Track wird aus "Da Dub" ("Habedieehre") "Peroni Pizza". Was auf den ersten Blick ein neues Stück zu sein scheint, entpuppt sich als weitere Loungenummer im Kuhstall. Ein paar Töne tiefer und um ein ganzes Stück langsamer wie das gleichnamige Stück auf "Europa" präsentiert sich "Holland".
Unsere Gebete nach neuen Stücken als logische Konsequenz neuer Alben werden erst bei "40 Cent" erhört, der Adaption eines Stücks der Biermösl Blosn, die jenseits des Weißwurstäquators einen relativ niedrigen Bekanntheitsgrad aufweisen, in Bayern selbst jedoch gern gesehene Live- und Frühschoppengäste waren. Stofferl Well, der immer noch mit einem Teil der ehemaligen Blosn (übrigens bayrisch für Gang) und Gerhart Polt, gibt am Mikro Gas und 'rappt' sich durch die Milchpreispolitik. Der Bläserpop nimmt daraufhin Anleihen beim Buena Vista Social Club. Das Liebeslied auf die bayrische Volksfestkultur findet pünktlich zum Start der Wiesn mit "Bierzelt" eine Wiedergeburt. Und auch der einstige Hit der Band namens "Autobahn", der 2008 schon in meinem Schulhof die Herzen höher schlagen ließ, findet auf "Kiah Royal" seine Krönung in einer Akustikversion.
Bis zum nächsten Höhepunkt mit Stephan Remmler höchstpersönlich am Mikrofon erfreuen uns LaBrassBanda mit neuen Versionen von "Ringlebleame" und "Hostasned". Letzteres gibts zum Vergleich auch schon auf "Live Olympiahalle München", ist aber diesmal eindeutig als klassische Wirtshausmusi einzuordnen. "Keine Sterne In Athen" kann man schon als Video bewundern. Statt sich romantisch-verklärt zu geben, erzählt der Song trotz hauchender Backgroundsängerinnen eine realistische Horror-Urlaubsstory im guten alten Trio-Stil.
Einen zackigen Abschluss schaffen die Oberbayern mit "Rotes Hoserl", dem ESC-Song "Nackert", der damals eher deplaziert als repräsentativ rüberkam und "Tecno". Vorallem letzterer beweist als Mischung aus "Tubissimo" ("Habedieehre") und dem eigentlichen Song aus "Europa" einen gewissen Schneid.
Einen Kuhstall als Location für ein Unplugged-Album erweist sich bei LaBrassBanda als hervorragende Wahl. Bei Konzerten - egal, ob im Club oder beim Festival - wird man oft mit dem Gefühl zurückgelassen, die Herren hätten alles in doppelter Geschwindigkeit runtergerasselt, um ihr Programm möglichst vollzupacken. Lässige Loungeelemente und ausgewählte Gäste in gemütlicher Stallamosphäre, bei der das gemächliche Kauen der Tiere förmlich zu hören ist, tut da nicht nur dem Hörer gut. In dieser Geschwindigkeit offenbaren sich erst recht die musikalischen Qualitäten der studierten Musiker und Rampensäue.
3 Kommentare
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Für mich inzwischen die mit wohl vielseitigste, anspruchsvollste und innovativste Band im deutschen Sprachraum.
Dem Mut, sich fürs Akkustikalbum einfach mal tw. als Jazz-Band neu zu erfinden und mit Europa absichtlich abseits der bequemen Brass-Haudegen-Fun-Pfade zu wandem, zolle ich höchsten Respekt!
Hammer! Saugeil