laut.de-Kritik
Filmreife Melodien, die man sofort versteht.
Review von Jasmin LützScheitern als Chance: Eigentlich sollten diese 13 Songs als Soundtrack für eine Krimiserie dienen. Ein englischer Regisseur hatte angefragt, und Jazzmusiker Lambert setzte sich ans Klavier und komponierte eingängige Songs für das Film-Set. Während der Dreharbeiten wurde es dann leider kompliziert und anstrengend, Zustände wie bei einer Til Schweiger-Produktion. Letztendlich wurde alles abgesagt, und zur Filmsoundtrack-Veröffentlichung kam es nie. Seltsam, aber so steht es geschrieben.
Traurig auch, denn Lambert sollte die Rolle des Kommissars übernehmen. Das war's dann erst einmal mit der Schauspielkarriere, aber um so schöner, dass diese Klang-Schönheiten nicht auf der Festplatte versauern, sondern nun auf seinem neuen Album "Actually Good" erscheinen. Diese Jazz-Pop-Melodien gehören in alle geschundenen Gehörgänge dieser Welt und verdienen eine große Aufmerksamkeit.
Der Opener "The Stranger" setzt sich mit der eingängigen Melodie sofort fest. Bereits hier bereut man, dass man den Klavierunterricht früher nicht ernster genommen hat. In Lamberts Songs steckt immer etwas Melancholisches, aber auch verträumte und geheimnisvolle Parts, die es zu erforschen gilt. Melodien für das geschundene Gemüt. Hier denkt man weniger an den Eiscreme-Mörder aus den Nuller-Jahren, sondern viel mehr an köstliche Sahnetorte und ein Glas Crémant.
Nick Cave antwortete neulich in einer Talkshow auf die Frage des Moderators: Was ist die Kraft oder die Macht der Musik: "I think music is a thing that makes things better." Und das trifft auch auf "Actually Good" zu. Du musst kein Jazz-Kenner sein, du musst kein Neo-Klassik-Experte und schon gar nicht ein Swiftie sein. Du musst gar nichts. Du muss einfach nur diese 13 Songs hören, und schon gleitest du in die wunderbare Welt der Klavierharmonie. So kann also Popmusik auch klingen.
Lambert hat zwar Jazzmusik studiert, aber kommt aus einem popkulturellen Background. Er liebt Tocotronic und ärgert sich über den Hype um Taylor Swift. Ihre Songs versteht er einfach nicht. Jazz muss auch nicht immer verkopft sein. Lambert kreiert eine harmonische Verbindung zwischen Jazz, Pop, Klassik und seinem eigenen Sound. Mit ihm lernt man Melodien kennen, die man nachvollziehen kann, die man sofort liebt. Die große Geste bei jedem Tastenschlag, und natürlich wird auch hier und da mal improvisiert. Keine komplizierten Verstrickungen, sondern schöne, verspielte Arrangements und ein nachhaltiger angenehmer Klang im Ohr. Man vergisst für einen Moment alle Sorgen dieser Welt.
Das Tasteninstrument ist ein wunderbarer Klangkörper, und Künstler wie Lambert enthüllen diesem Instrument wunderschöne Kompositionen, die ein leicht waberndes Glücksgefühl hinterlassen ("The Move"). Bewegende Momente und ganz viel Emotionen sind wichtig für einen guten Serienverlauf. Die Crime-Serie wird es niemals geben, aber "Actually Good" bleibt für immer als poetisches Klangbild, das ohne Worte auskommt.
Lambert spielt alle Instrumente für seine Songs selbst ein, wenn nicht gerade eine Gastmusiker*in den Part übernimmt. Im Titeltrack "Actually Good" setzt das Cello von Marie-Claire Schlameus dezente Akzente zwischen die Klaviermelodie, und dadurch entsteht eine wunderschöne Harmonie. Auch die Begleitung von Multiinstrumentalist Ralph Heidel am Saxofon in "Don't Know Anyone" harmoniert gut und gehört zur kleinen Hit-Parade einfach dazu. Lambert spielt auch Schlagzeug, Gitarre, Bass, wie er im Interview mit laut.de erzählt. Wir sind froh, dass er sich hauptsächlich aufs Klavier konzentriert und dabei Stücke, wie "Pressure And Room" entstehen.
"Happy Place" steigert sich zum pompösen Finale der Platte. Happy End oder nicht - der englische Regisseur wird sich bis heute ärgern, dass dieser Soundtrack des Herzens nicht in seinem Film-Nachspann läuft. Man könnte Lambert stundenlang weiterzuhören.
Volker Bertelmann aka Hauschka hat bereits 2023 den Oscar für die beste Filmmusik "Im Westen Nichts Neues" gewonnen. Lambert sollte unser nächster deutscher Musiker für den roten Teppich in Hollywood sein. Wir drücken den Daumen und buchen jetzt erst einmal Tickets für die anstehende Tour. Da sieht man Lambert dann mit seiner charakteristischen Maske auf dem Kopf, aber keine Angst, er will nur spielen.
3 Kommentare
Joa, der ist schon phänomenal gut in allem, was er so tut.
Sein Debüt wurde für mich auch so ein Sofortklassiker in der Kategorie "Soundtrack fürs eigene Kopfkino". Sollte Lehrmaterial für aufstrebende Film- und TV-Komponisten werden mMn, um diesen Hänschen Zimmer-Muff unter den Talaren langfristig raus zu fegen...
...jedenfalls lesbar leidenschaftliche Begeisterung auch bei der Rezensentin, genug, um meine eigene für Lambert erneut zu entfachen und mich in die vermutlich brauchbarsten Relikte eines weiteren in der Produktionshölle verbrannten Serienprojekts einzuhören.
Normalerweise zelebriere ich solche Musikrichtung eher selten, höre aber je nach Stimmung mal gerne Chilly Gonzalez.
Dieses Album von Lambert ist das erste, welches ich von ihm gehört habe und muss sagen, das es zurecht die Höchstbewertung erhalten hat.
Wahnsinn wie das alles aus einem Guss klingt und ja, man entwickelt ein fantastisches Kopfkino. Werde mir in nächster Zeit auf jeden Fall auch die anderen Alben anhören, sie scheinen ja alle auf einen hohen Niveau zu sein.
Mein Fazit: Richtig gutes Zeug
Bei the stranger hat er ganz schön bei oxygene part4 gesorgt;-)