laut.de-Kritik
Downbeat, R'n'B und House mit Küchen-Utensilien und Chorgesang.
Review von Philipp KauseLes Mamans Du Congo sind ein mehrsprachiges Projekt für entspannten Electropop mit Hip Hop-Elementen und Wurzeln in Zentralafrika. Auf ihren schwebenden Downbeat-Flächen vereint die grenzüberschreitende Kollabo insgesamt fünf Stimmen, Lead-Vokalistin ist die Percussion-Spielerin Gladys Samba.
"Ya Mizolé" spannt den Bogen von sehr guten Rap-Einlagen in "Dia", "Maria" und im Titelsong über meditative Downbeat-Nummern verschiedener Couleur - mit Chor ("Yobo Yobo Armel"), traditionellen Wechselgesängen ("Lamentation"), spirituellem Spoken Word ("Consolation") bis hin zu Bass-Electronica mit einem Touch House in "Mpemba". Auch Kizomba-Deephouse im Stile Pongos ("Sala Sala") und Urban R'n'B Style ("Loango Weaver") mischen sich in die lockere Experimentierfreude.
Besonders im trocken-perkussiven Electro-Bounce "Dia" lassen sich die ungewöhnlichen Instrumente heraus hören, für die Frontfrau Gladys als ehemalige Kunststudentin ein Herz hat: Mörser-Stößel, Gabeln, Teller, geflochtene Körbe, 'upcyceltes' Material aus Haushalt und Küche. Diese Aufnahmen entstanden in Brazzaville im Kongo. Dort im Umland, in Bacongo, wuchsen die Sängerinnen in der Kultur der Bantu auf. Sie singen überwiegend in Lari, flechten aber auch Französisch ein, Gladys spricht außerdem Bembé und Kituba.
Nach mehreren Gruppen in den letzten zehn Jahren und einem Solo-Album, jeweils umgeben von männlichen Musikern, hielt sie es für an der Zeit, ein Kollektiv von Frauen zusammen zu stellen. Liest man die Namen in den Credits von Aufnahmen und Live-Auftritten, wechseln die anderen Ladies. Die Mamans betonen aber in jedem Falle das Emanzipatorische ihres Kollektivs.
Entsprechend handeln auch die Texte teils vom Alltag von Frauen und insbesondere Müttern in Brazzaville und Umgebung. Teile der Lyrik beruhen auf traditionellen Einschlafliedern für Kinder und erzählen von der Natur. Dem Downbeat-Charakter des Albums sind diese Lullaby-Sequenzen zuträglich.
Andererseits legen sich völlig andere Klangschichten behutsam um die von Hand geschlagene Percussion und um die Stimmen herum. Robin Bastide, der sich in Frankreich als mit Breakbeat-Produktionen als 'Rrobin' einen Namen machte und gerne eine Brücke zum afrikanischen Kontinent schlägt, fügte Bausteine aus seinem eigenen Musikumfeld hinzu. Inspiriert von Drill, Grime und Trap, mixte er in der französischen Metropole Lyon elektronische Tonspuren zur Rohmasse aus den Tropen. Den Kontakt zum digitalen Beatmaker stellte eine Verkettung mehrerer französischer Institute für Kulturvermittlung her, schließlich Marie Audigier, Leiterin des Institut Français.
Dabei lernten beide Seiten, die europäische und die afrikanische, Neues hinzu, was durch die Sounds auch durchscheint. Die Akteur*innen verfolgen offenbar keinen abgezirkelten Masterplan, sondern scheinen selbst überrascht, was alles möglich ist. Robin, der sich Rrobin nennt, resümiert in einem Interview mit dem Schweizer Sender RTS: "Was mich am meisten überraschte, war, dass das Leben im Kongo ständig von Musik begleitet wird." - Und für Gladys und ihre Mitstreiterinnen zeigte es sich als machbar, die Sprache Lari erstmals auf trappigen Beats einzusetzen und "afrofuturistische" Momente zu schaffen, wie sie auf ihrem Bandcamp-Profil bekunden.
Möglicherweise ist das in der Selbsteinschätzung ein bisschen hoch gegriffen. Auffallend eingängig und massenkompatibel sind die Tunes bei aller Rhythmus-Komplexität lustiger Weise geworden, und sogar ohne dass ein erfahrenes Label wie Gabriels Real World oder Byrnes Luaka Bop seine Finger mit im Spiel hätte. Jarring Effects ist eine klitzekleine Indie-Firma (mit mehreren Säulen, darunter dem Hip Hop-Bereich Galanta Records).
Ziele der Zusammenarbeit sind die Verbreitung von Bantu-Musik außerhalb des Herkunftslandes und ein Attraktivitätszuwachs für die alten lokalen Musikmuster in den Ohren junger Kongoles*innen. Diese frische, innovative Auslegung der ollen Kamelle Worldbeat durch Fusion verdient auf jeden Fall eine Chance auch beim deutschen Publikum. Bitte reinhören und testen!
2 Kommentare
Mal was anderes. Gewöhnungsbedürftig und mit viel Afrika.
Mir gefallen die Songs sehr gut. Ohne grossen Schnickschnack kommen sie für mich sehr authentisch daher. Auch die Stimmen sind gut. Die Keyboard-Sounds hingegen sind teilweise etwas gar billig.