laut.de-Kritik
Große Gefühle – das können nur Teenager!
Review von Stefan MertlikZiemlich genau zwei Jahre haben sich Let's Eat Grandma Zeit gelassen, einen Nachfolger zu "I, Gemini" aufzunehmen. Mit 16 beziehungsweise 17 Jahren ist das Duo heute immer noch blutjung. In einem Teenager-Leben kann innerhalb von 730 Tagen trotzdem alles passieren. Freunde kommen und gehen und Prioritäten ändern sich im Wochentakt. Rosa Walton und Jenny Hollingworth machen darüber Musik. Auf ihrem zweiten Album "I'm All Ears" schöner denn je.
Das instrumentale Intro "Whitewater" lässt erst einmal anderes vermuten. Bedrohlich rollt es auf den ersten Song zu. Ob damit verdeutlicht werden soll, dass auch die jugendlichen Musikerinnen älter und vor allem ernster geworden sind, ist fraglich, denn was danach folgt sind fast durchgängig große Gefühle. Gefühle zwischen Leichtigkeit und Kompromisslosigkeit, die in dieser Form nur junge Menschen haben.
Rosa und Jenny greifen auf eine riesige Palette an musikalischen Möglichkeiten zurück. Synthesizer-Pop trifft auf analoge Instrumente. So analog, dass ein "Ava" nicht mehr als ein Klavier benötigt, um Gänsehaut zu erzeugen. "I Will Be Waiting For You" verlässt sich hingegen auf breite Synthie-Flächen, die sich im finalen Chorus in einem unwiderstehlichen Konglomerat aus Sounds entladen.
Let's Eat Grandma brechen immer wieder aus gängigen Songstrukturen aus. Statt zwischen Strophe und Refrain zu wechseln, wird auf "Cool & Collected" ein fast schon psychedelisches Gitarrenspiel auf neun Minuten ausgedehnt. Das finale Stück "Donnie Darko" knackt sogar die Elfminutenmarke und darf noch einmal zusammenfassen, was auf den 40 vorangegangenen Minuten passiert ist.
"And just when we discover that we need each other / Here, our lives keep pulling us away / Now we're both so unstable at the kitchen table / With these peanut bagels in a foreign state", singen sich Let's Eat Grandma auf "It's Not Just Me" den Schmerz über eine auseinandergelebte Beziehung von der Seele. Die Texte beschreiben Emotionen eindeutig, wirken dank einer bildhaften Sprache trotzdem nicht billig. So erkennen die Musikerinnen in "Falling Into Me", dass sie sich verliebt haben und nun den Mut fassen müssen, sich diesem Gefühl hinzugeben: "And when I climb the steps to the street / There is no reason to doubt myself here / My thoughts were pouring down with the rain / But now I see that it’s so crystal clear".
Wo Chvrches vor einigen Wochen mit "Love Is Dead" wenig inspirierten Synth-Pop ablieferten, zeigen Let's Eat Grandma, was mit den richtigen Einfällen passieren kann. "I'm All Ears" ist die gelungene Weiterentwicklung einer Band, die nicht mit Elektro-Zuckerguss Hits vortäuschen möchte, sondern Musikalität und Textstärke in den Vordergrund stellt. Hoffentlich bewahren sich die beiden Britinnen diese Jugendlichkeit bis ins hohe Alter.
1 Kommentar mit 3 Antworten
5/5 nur für den Bandnamen
https://de.wikipedia.org/wiki/Tote_Oma
Lets eat „dead“ Grandma‘ da hätte ich auch dran gedacht (mein erster Beruf war Metzger).....aber 8kg Nackensteak für 16,99? So einen Preis konnten wir nicht machen!
Let's eat, Grandma not Let's eat Grandma! Commas can save lifes:-)