laut.de-Kritik
Im Moshpit mit LGoony und Juicy Gay.
Review von Mirco LeierLil B ist ein lebendes Enigma. The New Yorker nannte ihn 2012 den "strangest rapper alive", und es fällt schwer nicht zuzustimmen. Der 30-Jährige hat keinen wirklichen Plattendeal, seine Musik ist nicht in physischer Form erhältlich, er gibt keine Interviews. Selbst Musikvideos gibt es quasi keine. Dennoch spielte er bereits auf dem Coachella, versammelt eine seit Jahren wachsende Fanbase hinter sich, und hat mehr Generationen von Musikern beeinflusst als motherfuckin Kanye West.
Dabei bleibt es für Menschen, die sich außerhalb Lil Bs Gravitationsfeld bewegen, quasi unverständlich, wie man überhaupt Gefallen an diesem Sound finden kann. Die Bezeichnung "Worst rapper alive" kennt der Kalifornier deshalb ebenso gut.
Seine Musik ist aber, so lächerlich das klingen mag, ohnehin eher zweitrangig, geht es darum, die Kunstfigur Lil B zu verstehen: Bei einem Katalog, der über zehntausend Songs enthält, würde es fast schon an Folter grenzen, sähe man sich gezwungen, diesen komplett durchzuarbeiten. "Worst rapper alive" mag übertrieben sein, aber der BasedGod gehört sicherlich nicht zu den begnadetsten Musikern. Dafür zu den produktivsten.
58 Projekte finden sich unter seinem Namen auf Spotify. Was davon als Album, was als Mixtape oder einfach Song-Collection durchgeht, lässt sich schwer beurteilen. Große Teile der Diskographie verweilen jedoch irgendwo im virtuellen Äther, komplett abseits der Streamingplattformen, etwa sein legendäres 851-Song Mixtape, das dieses Jahr zum Download bereitstand.
Natürlich gibt es vereinzelte Songs wie "I'm God" oder der Kevin Durant-Diss "Fuck Kd", die absolut Konsens sind. Davon abgesehen wird es schnell vage, redet man über Lil Bs Werk. Es gibt viel zu viel, und viel bleibt eher unterdurchschnittlich. Wieso also ist dieser Mann berühmt? Der Rapper Viper beispielsweise legt einen ähnlichen Output hin mit noch abstruseren Titeln ("Ya'll Cowards Don't Even Smoke Crack"), doch ihn kennt so gut wie niemand.
Es muss wohl eine Mischung aus Glück, Internetaffinität und einer absolut einzigartigen DIY-Persönlichkeit gewesen sein, die Brandon Christopher McCartney zum BasedGod werden ließ. Über Jahre hinweg puschte er seine Based-Agenda so hartnäckig, dass anfänglichen Hatern nichts anders übrig blieb, als zu verstummen. Was Based bedeutet? "Being youself, being positive", sagt Lil B. Ein naiv anmutendes Lebensmotto, aufgrund dessen er oft als Weirdo oder gar geistig behindert dargestellt wurde. Das stört ihn gleichwohl wenig.
Kleine Andekdote am Rande: Auf dem Splash 2016 sah ich Lil B live und war gleichermaßen verwirrt wie begeistert. Die Hälfte des Sets bestand aus Songs anderer Rapper, zu denen er tanzte. Ab und an auch der Versuch, einzelne dieser Songs live zu remixen. Auf seine oben erwähnten Klassiker wartete man vergebens, stattdessen gabs unveröffentlichtes Material, Deep-Cuts zahlreicher Mixtapes und Acapella-Freestyles über das "Berliner Meer" und naheliegende Wälder.
Dabei betonte er immer, "realen" Hip Hop zu machen. Den Einfluss dieses DIY-Ansatzes auf jüngere Generationen konnte man im Moshpit live erleben: Dort traf man u.a. LGoony oder Juicy Gay. Am Ende tanzte er minutenlang in der ersten Reihe und umarmte einzelne Fans - der Moment, in dem man anfängt, Lil B zu verstehen.
"The Hunchback of BasedGod" präsentiert sich nun ohne Zweifel als eine seiner weirdsten und experimentellsten Arbeiten. Zahlreiche der sage und schreibe 50 Songs sind einfach nur One-Take Freestyles, andere wiederum gar nicht mal so uninteressante Instrumentals. Auf den etwas klassischeren Songs wie "Staring Out My Window" erwarten den Hörer schon jetzt legendäre One-Liner wie "Sometimes I be staring out my window, Fred Durst poster on the wall".
Doch nicht alles erweist sich als 'Fun and Games'. Lil B wirkt auf vielen Tracks erschreckend ernst. Davon zeugen Titel wie "Body Shaming", "I'm Depressed Again" oder "The Sound of Being Bullied". Das die Finesse fehlt, um derlei Themen differenziert zu bearbeiten, dürfte sich von selbst verstehen. Brandons Lyrik lässt deutlich Luft nach oben, hat sich über die Jahre dennoch deutlich verbessert. Das gilt auch für die Produktion, die oft fast ätherisch anmutet.
Doch dies tröstet letzten Endes nicht über den Fakt hinweg, dass sich die Platte mit über zwei Stunden Spielzeit einfach nicht am Stück durchhören lässt. Hängen bleiben etwa die absolut wirren und verstörenden Emo-Crooner "Crying In The Club" und "Free 03", gegen die selbst ein Juice WRLD klingt wie die Beach Boys. Oder die großartigen Instrumentals "No Longer Afraid Of The Dark", "I Got Uncomfortable and Succeeded" und "Riverdance" sowie der "Bestie"-Remix "Artistic Or Autistic".
"The Hunchback Of BasedGod" wäre aufgrund massig Füllmaterials leicht zu verreißen, aber an Lil Bs Standard gemessen, ist das Mixtape sogar ziemlich abwechslungsreich geraten. Wer das nicht versteht, hat Lil B immer noch nicht verstanden.
2 Kommentare
"I'm Gay (I'm Happy)" ist ein Knaller von einem Album, danach hat mich Lil B nie wieder (musikalisch) überzeugen können.
Diese Kritik trifft es ziemlich gut was Lil B bedeutet. Ich persönlich (Task Force Germany General erster Klasse und jemand der das Glück hatte von Brandons persönlichem Profil eine Freundschaftsanfrage zu erhalten), war schlichtweg begeistert. Seine Produktion klingt diesmal wesentlich besser als Platinum Flame und 28 With A Ladder. Den Mut seine oder gar Clams Casinos beat(s) einfach nur laufen zu lassen ohne drauf zu rappen das ist eben Typisch Lil B. "Crying in the Club" ist ohne jede Frage der steilste Track. Kurz danach muss man