laut.de-Kritik
Pianobeats, ich höre nur noch Pianobeats!
Review von Yannik GölzEs hat sich lange zusammengebraut, dass Lil Durk steht, wo er heute steht. Als einer der OG-Chicago-Driller ging er durch große Cosigns, persönliche Tiefpunkte und erfand seinen Sound ein paar Mal neu. Aber im siebten Jahr seiner Karriere ist der Aufschwung nun gekommen, den man kaum noch für möglich gehalten hätte: Chart-Hits, Drake-Features, ein Album, auf das alle Augen gerichtet sind. "The Voice" erblickte im Dezember das Licht der Welt, jetzt legt er die Deluxe-Edition nach und kommt damit auf stämmige 28 Songs. Es hätte so eine süße Erfolgsgeschichte sein können, wären diese Songs doch nur ein kleines bisschen interessanter geraten.
Nach dem Absterben des Chief Keef-Hypes hat sich Durk wie viele Drill-Genossen immer mehr in Richtung melodischen Sprechgesangs verlagert, die beiden "Love Songs 4 The Streets"-Tapes sind der Beweis, aber erst mit dem viralen Erfolg von Stadtgenossen wie Polo G und Calboy festigte sich dieser neue Sound soweit, dass er sich wieder dem Mainstream annähert. Dass er spitten und emotionale Tiefe ausdrücken kann, hat er längst bewiesen. Der Moment ist reif: Nach dem tragischen Tod von King Von, der Durk lange schon Freund und Kollaborateur war, sehnt sich die Szene nach rohem Chicago-Storytelling wie schon lange nicht mehr.
Das ist es, was "The Voice" in ihren besten Momenten richtig stark macht. "Redman" , "Switched Up" und "Going Strong" markieren den Blueprint dessen, was sein Sound in dessen besten Momenten leistet. Er kann sie, die expressiven und ungefilterten Croons aus der besten Schule eines Young Thugs. Aber er kann auch das immersive und von Schicksalsschlägen verhärtete Erzählen der ruppigen Realitäten der Straße. Und immer, wenn das Piano oder die Gitarre mal ein etwas definierteres Motiv spielen, entsteht eine Magie, die den Erfolg Durks bei seiner Zielgruppe absolut nachvollziehbar macht.
Leider schert sich dieses Projekt nicht darum, durchgehend dieses Level an Schärfe oder Definition zu liefern. Es fällt fast schwer, Negativbeispiele anzuführen, so sehr fallen weite Strecken des Projekts zusammen. "Coming Clean" oder "Changes", "I Don't Know" oder auch die witzig visualisierte Single "Kanye Krazy": Obwohl Durk als Performer zu kompetent ist, die Nummern wirklich floppen, haben sie doch quasi nichts eigenes zu bieten und werden regnerischer Trap-Fluff, der nach dem Verklingen der letzten Note schon im den ewigen Playlist-Gründen versinkt.
Meistens sind es dann Features, die den Karren anschieben müssen. Lil Baby bleibt ein Feature-Großmeister auf "Finesse Out The Gang Way", King Von kommt auf "Still Trappin" für den markantesten Banger der Platte, Young Thug, YNW Melly und 6lack sorgen für bitter nötigen stimmlichen Tapetenwechsel. Der Gast, der die Augen aber am spürbarsten öffnet, ist der Produzentencredit von Metro Boomin auf "Stay Down". Die wertigen Synthesizer, die vielschichtigen Arrangements, die suggestive Klangtiefe, auf einmal spürt man im direkten Vergleich erst, wie billig die Produktion dieses Tapes eigentlich ist.
Das macht 28 Songs am Stück schließlich bei aller Anerkennung zu einem mühsamen Weg. Selbst die größten Fans des melodischen Durks werden hier nach pappsatt die Ohren für etwas Anderes öffnen. Das tut ein bisschen weh, denn nach so vielen Jahren des Grinds hätte ein talentierter Dude wie Durk es mehr als verdient gehabt, seine Stunde im Spotlight mit etwas aufregenderem Material zu verbringen. Aber "The Voice" klingt stimmlich wie klanglich derzeit so nah am generischen Standard des Genres, dass man ohne vorgefertigte Verbindung zu Durk wohl kaum etwas aus dem Projekt ziehen wird.
3 Kommentare mit 9 Antworten
"Little Young" von GOAT Masta Ace und Edo G:
https://www.youtube.com/watch?v=UoePdFAGXE4
Beat find ich weiterhin nice, der Text ist aber insgesamt für ihre Verhältnisse schon etwas dünn gewesen, bzw inkohärent.
Hater kommentieren in 3,2,1...
Also für die Beiden find ich den Track ziemlich wack, ma sagen.
Finde den insgesamt auch nicht so pralle, aber passte halt thematisch.
Also thematisch ist er auch wack. Ist ja quasi "Old Heads verstehen die Zeiten nicht"-Part264. Nicht gerade spannend...
Wenn man bedenkt, warum die alle Lil heißen und sich noch vor Augen führt, dass Edo lange unter Ed OG lief, wird das sogar noch unangenehmer.
Warum heißen die denn alle "lil"? Frage für einen Old Head.
https://www.urbandictionary.com/author.php…
Wir sind hier nicht in Seattle, Durk!
"Das macht 28 Songs am Stück schließlich bei aller Anerkennung zu einem mühsamen Weg."
Wieso rezensiert ihr die Deluxe- und nicht die Standardedition?