laut.de-Kritik
Klebrig süße Balladen, haarscharf an der Grenze zum Kitsch.
Review von Joachim GaugerGlückliche Liebe, traurige Liebe, flüchtige Liebe, rasende, leidenschaftliche oder abgekühlte Liebe - die Themenvielfalt in Lionel Richies Texten ist schon beeindruckend. Um die Liebe dreht sich nun mal der Soul und als solcher im weitesten Sinne lässt sich Richies Musik immer noch einordnen.
"So much passion", singt Lionel Richie in "Dance The Night Away" und noch immer verfügt er über die Mittel und Wege, den Überfluss der Leidenschaft musikalisch umzusetzen. "Tender Heart", "How Long", "Don't You Ever Go Away" und andere Stücke auf Renaissance sind melodiestarke, klebrig süße Balladen, die immer haarscharf an der Grenze zum Kitsch entlang schrammen.
So weit also keine Überraschungen bei Lionel Richies Comeback nach mehrjähriger Pause. Doch der ehemalige Sänger und Songwriter der Commodores begnügt sich nicht mit dem, was er am besten kann. Mit seinem neunten Soloalbum wollte er zeigen, dass er nach wie vor ganz auf der Höhe der Zeit ist. Ursprünglich sollte das Album von Wyclef Jean produziert werden, aber der konnte nicht und so hat Richie alles ran gekarrt, was als Produzent derzeit Rang und Namen hat im Popgeschäft.
Darunter leidet ein wenig der Gesamteindruck. Der Latinrhythmus in "Cinderella" klingt geschniegelt als wär' er von George Benson. "Tonight" oder "Wasted Time" sind von Rodney Jerkins (Mariah Carey, Whitney Houston, Destiny's Child, Michael Jackson) bzw. Fred Jerkins III zeitgemäß produzierte Songs, ihr Klangbild ist dem "Doo Wop"-Hip Hop einer Lauryn Hill sehr nahe. Ganz anders die von Brian Rawling (Cher, Enrique Iglesias) produzierten Stücke.
"Angel", "Here Is My Heart" und "Don't Stop The Music" sind fürchterlicher 80er Jahre Dancepop à la Kylie Minogue. Wer glaubt, solche Musik passe doch ganz gut in die eine oder andere Dorfdisko, der unterschätzt die Landbevölkerung. Sollte dieser leblose Sound tatsächlich erneut um sich greifen, muss ich vielleicht doch mal wieder einer alten Liebe schöne Augen machen.
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