laut.de-Kritik

Keine Trends nötig, Langeweile ist zeitlos

Review von

Manchmal bekommt man von Deutschrappern das Gefühl, dass sie sich einfach nicht so sehr für Musik interessieren. Liquit Walker zum Beispiel, seines Zeichens ehemaliger Schützling der Freunde von Niemand interessiert sich vor allem dafür, echte Bars zu spitten, Herzblut in die Kunst zu investieren und seine Persönlichkeit auf den Beats offenzulegen. Um diese noblen Ziele zu erreichen, setzt er eine rauchige, bissige Stimmlage auf, reckt den Mittelfinger zum Himmel, dreht den Pathos auf 110% und rennt in bedeutungsschwangerer Slow-Motion mit einer Lanze in der rechten Faust gegen eine Windmühlenwand. "Trümmerkönig" ist "Old Man Yells At Cloud" auf Albumlänge.

Man will ja gar nicht in Frage stellen, das Liquit Walker gut rappen kann, ein solider Texter ist und auch ein gewisses Charisma an den Tag legt. Aber zwanzig Tracks lang fletscht hier ein Typ, der sich wesentlich interessanter fühlt als er es uns zeigt, die Zähne gegen nebulöse Feindbilder. Die Waffe seiner Wahl sind dabei Phrasen, Allgemeinplätze und Strohmänner. Der Kampfstil variiert zwischen Feindseligkeit gegen Fortschritt ("Trendresistent") oder Menschen, die etwas erreicht haben ("Falsche Helden") und wehleidigem Selbstmitleid. Spätestens nachdem Walker auf Track drei die clevereren Einzeiler ausgehen, kristallisiert sich zunehmend deutlicher heraus, wie substanzlos seine Aversion eigentlich ist.

Gerade das Schießen gegen Trap gibt zum Beispiel wenig Sinn, wenn man mit der Berliner Dipset-Ära in der vermutlich beschissensten Hip Hop-Phasen aller Zeiten hängengeblieben ist. Der fähigste MC dieser Zeit zu sein, bedeutet eben sehr wenig, wenn man sich da nur mit Rappern à la Fler und Sentino misst. Richtig nervig wird es, wenn sich die zähnefletschende Stimmlage, die man auf den ersten Tracks noch als coole Energie wertet, über zwanzig Titel nicht eine winzige Nuance verändert. Track für Track wehrt sich Walker potent dagegen, seine Delivery wissen zu lassen, dass er gerade um die Identität von Deutschen ("Tam Alman"), die Liebe zu seiner Freundin ("Mallory Knox") oder den Hass auf die Szene (die meisten Tracks) geht. Geknurrt wird immer gleich.

Jumpa sitzt indes nebenan im Bongzimmer an Fruity Loops und baut solide Retortenbeat, Keys, energetische Gitarrensamples und kalte Perkussion. Es sind eben diese typischen mittelmäßigen Freunde von Niemand-Beats, gegen die man nichts per se sagen kann, aber die auch nicht im Kopf bleiben und auch keine eigene Identität besitzen. Mag man mögen können.

Generell verlässt sich Liquit Walker über den viel zu langen Kurs auf seine Fähigkeit als tiefschürfender Texter. Eine schlechte Idee, denn abgesehen von der Tatsache, dass er tatsächlich sehr überzeugt davon zu sein scheint, gibt es an den Phrasen, die Motivationsseiten für chronisch unzufriedene Mittvierziger zu entspringen scheinen, wenig zu loben. "Trümmerkönig" ist monoton, prätentiös und fast schon zielstrebig mittelmäßig. Allein die hier und da aufblühenden guten Punchlines und der solide Flow der Berliners retten ihn hier vor einem kompletten Ödland. Aber wenn man seine Musik gerne ideenlos und festgefahren hört, wird man mit dieser Platte sicher genauso viel Spaß haben, wie mit irgendeiner Anderen.

Trackliste

  1. 1. Tausende Meilen
  2. 2. Trendresistent
  3. 3. Trümmerkönig feat. Haudegen
  4. 4. LiqLiq Boom
  5. 5. Mallory Knox
  6. 6. Tam Alman
  7. 7. Falsche Helden
  8. 8. Blaugraue Federn
  9. 9. Dämon
  10. 10. Worte im Wind
  11. 11. Eigentlich okay
  12. 12. Mic Check
  13. 13. Echo
  14. 14. Deine Stimme
  15. 15. Da gewesen (Outro)
  16. 16. Mein Adidas
  17. 17. Ein Traum ist nicht genug
  18. 18. Zombie
  19. 19. Endlos
  20. 20. Falsche Helden (Vecz Remix)

Preisvergleich

Shop Titel Preis Porto Gesamt
Titel bei http://www.amazon.de kaufen Liquit Walker – Trümmerkönig €19,30 €3,00 €22,30

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Liquit Walker

"Ich trag' den Rucksack im Herzen und die Waffe auf der Zunge." Seine treffende Selbsteinschätzung zeigt es schon: Mit Schubladendenken kommt man bei …

7 Kommentare mit 13 Antworten

  • Vor 7 Jahren

    sehr schlechtes amateur-cover. schade.

  • Vor 7 Jahren

    sehr schlechtes amateur-cover. schade.

  • Vor 7 Jahren

    "Gerade das Schießen gegen Trap gibt zum Beispiel wenig Sinn, wenn man mit der Berliner Dipset-Ära in der vermutlich beschissensten Hip Hop-Phasen aller Zeiten hängengeblieben ist. Der fähigste MC dieser Zeit zu sein, bedeutet eben sehr wenig, wenn man sich da nur mit Rappern à la Fler und Sentino misst."

    Disagree! Erstmal würde ich als Messlatte dann doch eher Snaga & Pillath nehmen, die ich auch allgemein als durchaus fähige MCs sehe (Sentino ebenfalls, Flizzy natürlich nicht :D).
    Zweitens sind/waren Dipset-Rapper vong Skillset her den meisten Trappern durchaus überlegen, würde ich mal behaupten, Spit-Rhymes hin oder her, alleine die Punchline-Dichte reicht da schon. Aber andere Prioritäten imo.
    Und für mich ist die Trap-Phase ziemlicher Absturz, Geschmackssache ;)

    @Liquit: Finde den als Moderator/Interviewer ziemlich gut und sympathisch, aber seine Mucke gibt mir nichts.

    • Vor 7 Jahren

      "Und für mich ist die Trap-Phase ziemlicher Absturz, Geschmackssache ;) "

      So wie Camp David Polos. :ill:

    • Vor 7 Jahren

      Das habe ich mittlerweile aussortiert, ich schwör! :D

    • Vor 7 Jahren

      Mir fällt ehrlich gesagt auch keine schlechter alternde Phase ein als dieser Dipsetkram - auf Deutsch natürlich hoch 3.
      Aber selbst Sachen von Juelz, die ich früher gefeiert habe, kann ich mir heutzutage kaum noch im selben Maße geben, besonders bei den Beats damals waren einige Verbrechen dabei.

    • Vor 7 Jahren

      tbh, der satz ist nur stumpfe provokation, aber im grunde meines herzens finde ich die deutsche dipset ära schon echt einzigartig beschissen

    • Vor 7 Jahren

      Ich prophezeie Trap das gleiche Schicksal wie dem damaligen Dipset Shit: Zur Hochzeit von 80 % der Szene für Stil und Attitude gefeiert und gefühlt von jedem Horst und Ali nachgeäfft, folgt nach Jahren nur noch unverständliches Kopfnicken gepaart mit Facepalmen und peinlich, berühtem Schweigen auf die Frage: "Wie hast du gerappt als der Dipset / Trap Hypetrain durch Deutschland fuhr?!"

  • Vor 7 Jahren

    Wurde der Type der die Kritik geschrieben hat mal irgendwie in Berlin verprügelt oder warum heult der so rum? Trümmerkönig ist ein sehr gutes Album und allein die Passage über Jumpa zeigt, dass der Herr "Yannik Gölz" entweder keine Ahnung von Musik oder ein generelles Problem mit Jumpa/LiquitWalker sowie Freunde von Niemand etc. hat.

    • Vor 7 Jahren

      Hatte selbst genau das Gefühl beim Lesen... Alleine die Dipset-Anlehnung?! Wo hat der in 4XL Shirts rumgequietscht? Und das mit dem Bongzimmer einfach nur als stumpfe Beleidigung an der Stelle. Finde persönlich die Songidee zu "Falsche Helden" super und auch gut umgesetzt. Das hat ja nix mit damit zu tun, dass einer neidisch auf Erfolg ist... Naja, typisch Laut.de-Review zu einem guten Deutschrap-Album. Die User/Redaktionsbewertung im Vergleich sagt alles.

    • Vor 7 Jahren

      Die Userbewertung kommt zustande, weil sich kein Spast außer Fanboys für den Lauch interessiert. Hab die mit meinen ungehört 1/5 von 4/5 auf 3/5 korrigiert.

    • Vor 7 Jahren

      Also mit anderen worten, du bist mit der Meinung anderer Leser nicht einverstanden, bezeichnest sie deswegen als Lauchs und versuchst deine Minderheitenmeinung so als die einzig wahre darzustellen? Sehr gut.

    • Vor 7 Jahren

      Habe an der Stelle auch ganz vergessen diesen Müll mit 1/5 zu bewerten. Habe ich nun nachgeholt.

    • Vor 7 Jahren

      Schließe mich an, habe auch mit 1/5 bewertet. Ungehört natürlich.

    • Vor 7 Jahren

      Klar, ungehört ist Ehrensache. Sowas hört ja kein Mensch...

    • Vor 7 Jahren

      Wer lesen kann ist klar im Vorteil: Ich bezeichne Liquit Walker als Lauch und alle Leser hier als Spasten. Mich selbstverständlich eingeschlossen.

  • Vor 7 Jahren

    in die kritik ist doch zu 90% antipathi eingeflossen. liquit hat ein gutes album gemacht. mindestens 3 wenn nicht sogar 4 sterne.

  • Vor 6 Jahren

    Na da sieht man wie weit Kritik auseinandergehen kann. Wirkt schon sehr voreingenommen.
    Ich persönlich interpretiere manche Tracks schon deutlich anders als der Herr dieser Kritik. Bei "Trendresistent" geht es per se ja nicht um Kritik an den sogenannten Fortschritt, sondern darum, dass der moderne deutsche Rapper nur noch das ablieferen was gut ankommt und es sich nur noch nach dem Geld richtet. Vor allem die Interpreten die angeblich so gegen den Mainstream in der Musik sind, geben sich doch eben diesen selbst hin.
    Auch interessant wie er Falsche Helden interpretiert. Selbstmitleid und Neid auf diejenigen, die was erreicht haben sollen also. Da ist er wohl top informiert um wem es sich genau handelt.
    Bei Tam alman spielt sicherlich auch eine gewisse Prise an Ironie und Klischees mit ;) Lässt sich eigentlich recht gut raushören, zumindest wenn man es sich mehr als einmal gründlich anhört.
    Und wenn man keine Veränderung innerhalb des Albums von Track zu Track hört, stellt sich mir die Frage, hast er das Album wirklich gehört oder nur mal kurz reingehört und geskippt?
    Generell find ich Liquits Kritik an der aktuellen deutschen Rapszene durchaus berechtigt. Oder meint Herr Gölz, dass alles gut läuft in der Rapindustrie? Geld,unerträgliche Crosspromotion,inszenierte Beefs, Mainstream und das lächerliche, gestellte "Gangster/Ich-bin-real-ich-komm-von-der-Straße-Image überwiegen doch nun wirklich deutlich. An dieser Stelle ist "Blaugraue Federn" zu empfehlen. Und von Trap will ich wirklich nicht anfangen, sonst wird der Kommentar noch länger und das will ich wirklich keinen antun.
    Alles in allem wirkt die Kritik so wie: "Ich halte nix von Liquit Walker. Das war vorher schon so und wird auch so bleiben. Komme was wolle. Schnell noch ein paar "gute" Sachen schreiben, dann wirkt es nicht zu einseitig."
    mMn hat sich Liq echt gesteigert, klar ist seine Musik für viele gewöhnungsbedürftigt, aber auf keinen Fall so schlimm wie hier dargestellt. Rap bleibt halt (auch innerhalb der Szene) Geschmackssache. Alles wie immer und gut so.
    Peace!