laut.de-Kritik
80s-Glitter, altbewährter Darkrock und Blümchen.
Review von Toni HennigDie Hamburger Darkrocker Lord Of The Lost reiten derzeit auf einer Erfolgswelle. Das letzte Album "Judas" schoss direkt auf Platz zwei der deutschen Albumcharts. Zudem gingen sie mit Iron Maiden auf Tournee. Weitere Termine als Direct Support für die diesjährige Europatournee der Heavy Metal-Götter sind bestätigt.
Kurz vor Jahresende haben Lord Of The Lost mit "Blood & Glitter" quasi über Nacht noch ein neues Album veröffentlicht, auf dem sie thematisch und visuell eine 180-Grad-Wendung vollziehen. Dabei verleihen sie ihrer Liebe für den Sound der 80er und die Optik des frühen 70er-Glamrocks Ausdruck, ohne dass Metalelemente zu kurz kommen. Textlich geht es dazu direkter, kritischer und persönlicher zur Sache als auf den Vorgängern. Ab Februar folgt die restlos ausverkaufte "Blood & Glitter"-Tour, die die Band durch mehrere deutsche Clubs führt.
Schon im Titelstück verbinden Chris Harms & Co. ihren Sound mit funkelnden 80er-Jahre-Keyboards, was aufgrund der einprägsamen Hook erstaunlich gut funktioniert. Zudem erlebt die Steel-Drum, die auf "Judas" in einigen wenigen Tracks zum Einsatz kam, ein Comeback. Auch "Leave Your Hate In The Comments", mit dem Lord Of The Lost ein starkes Statement gegen die aufblühende Hass-Kultur in den sozialen Medien liefern, hält eine einprägsame Hook zusammen, obwohl die Mischung aus groovigen Riffs, Scratchings und 80s-Glitter schon ungewöhnlich anmutet.
Melodische Schwächen schleichen sich anschließend in "Absolute Attitude" ein, das aufgrund immergleicher Drumrhythmen und all zu cheesy Keyboards zu sehr nach 80er-Jahre-Schlager klingt. Auch "The Future Of A Past Life" bleibt auf melodischer Ebene relativ austauschbar, aber zumindest bringt Heaven Shall Burns Marcus Bischoff mit harschen Vocals wieder etwas Kante ins Spiel.
Gegen Mitte der Platte heißt es dann Partyalarm, wenn in "Reset The Preset" Andy LaPlegua Electro-Einflüsse und eindringliche Shouts beisteuert. Das folgende "Destruction Manual" kommt ohne den Combichrist-Wüterich daher, könnte aber in der Form genauso auf einer der Platten der amerikanisch-norwegischen Band stehen. "Dead End" erinnert schließlich mit opulenter Orchestrierung und einer nachdenklichen Hook noch am ehesten an "Judas". Danach pendelt die Formation zwischen grellen 80s-Momenten und typischem Darkrock unauffällig hin und her, nichts, an was man sich sonderlich erinnern wird.
Zum Schluss gibts aber doch noch eine Überraschung: ein Cover von Roxettes "The Look", für das sich Lord Of The Lost mit Jasmin Wagner zusammengetan haben. Zwar bleibt die Version der Hamburger sehr nah am Original, aber zumindest passiert mal wieder was, zumal Blümchen als Rockröhre gar keine so schlechte Figur abgibt. Man hört ihr den Spaß an der Sache jedenfalls an.
Vor kurzem streute die Bild-Zeitung das Gerücht, dass es einen geheimen Wacken-Plan mit Blümchen gäbe. Die Reaktion der Band auf ihrer Facebook-Page ließ nicht lange auf sich warten: "Na, dann nehmen wir Blümchen wohl mit zum Wacken Open Air. Aber psst, geheim!" Allzu ernst nehmen sich Lord Of The Lost also nicht, was sie auch auf dieser Platte beweisen. Nur machen sie es sich oftmals all zu sehr in ihrer Komfortzone bequem.
5 Kommentare
Das war die nervigste Vorband die ich je bei einem Konzert ertragen musste
Mehr Klischee ging wohl nicht mehr. Musik ist leider auch nicht meins + hölzerne Lyrics. Ne, da wär ich dann eher Bier holen bei Maiden.
Blümchen macht Wacken nur marginal peinlicher...
Hat man sich einmal einem Namen in der modernen Goth-Szene gemacht, bleibt es auch dabei, da es leider schmerzlich an Nachwuchs mangelt.
Finde die Band abwechselungsreich und mit Spaß bei der Sache. Das sie sich teils Schubladen widersetzen – um so besser. Die Platte macht Spaß.