laut.de-Kritik
Mit Jack White auf den Spuren von Cash und Rubin.
Review von Giuliano BenassiEin alternder Country-Star mit glänzender Vergangenheit und verblichener Gegenwart trifft auf eine genrefremde Größe und lässt sich dazu überreden, endlich mal wieder eine anständige Platte aufzunehmen. Die Zusammenarbeit schlägt hohe Wellen, erzeugt ein großes Kritikerinteresse und eröffnet dem Star ein ganz neues Publikum. Es folgen gefeierte Liveauftritte und weitere Alben, die aus einem fast vergessenen Namen eine überlebensgroße Ikone machen.
Die Geschichte hört sich irgendwie bekannt an? Kein Wunder, denn Rick Rubin und Johnny Cash haben vorgemacht, was Loretta Lynn und Jack White nun im Ansatz wiederholen. Lynn war seit den 80er Jahren aus dem Interesse der Öffentlichkeit so gut wie verschwunden, Jack White ist Gitarrist, Sänger, Songschreiber und bessere Hälfte des verehrten Rock-Duos White Stripes.
Während Rubin die Angelegenheit behutsam anging und Cash zwar mit fremden Material belieferte, aber die Arrangements entsprechend anpasste, gehen White und Lynn den entgegengesetzten Weg: Lynn liefert neue Stücke aus eigener Feder, White setzt als Produzent seinen klanglichen Stempel. Das Ergebnis ist ein Country-Album, das sich über weite Strecken nach White Stripes anhört.
Die ersten zwei Stücke weisen den Weg. "Van Lear Rose" beginnt mit einer nervösen E-Gitarre, auf die zwar typische Slide- und Pedal Steel-Noten folgen, das scheppernde, ein wenig ungelenke Schlagzeug und der wummernde Bass klingen aber zumindet ungewohnt. Lynn beeindruckt durch ihre klare, hohe, leicht nasale Stimme, die sich auch nach ereignisreichen 70 Lebensjahren frisch und überzeugt anhört. Stück Nummer zwei wartet gleich mit dem einzigen Duett der zwei Hauptbeteiligten auf. Verschmitzt und im Sound angetrunken handelt "Portland Oregon" von einem alkoholgeschwängerten One Night Stand in einer Bar.
Angesichts des erheblichen Altersunterschieds ein unübliches Thema, das den stärksten Aspekt des Albums hervorhebt: die Texte. In ihrer Blütezeit Ende der 60er/Anfang der 70er nahm Lynn in ihren Liedern zu vielen umstrittenen Themen Stellung, ob Vietnam-Krieg, alkoholisierte Ehemänner, Scheidung, Pille oder dem Recht einer Frau auf sexuelles Glück. Dabei verbarg sie nie ihre einfache Herkunft und ihren ungewöhnlichen Lebensweg.
Auch auf "Van Lear Rose" zeigt sie sich als starke Frau, die stolz auf ihre Vergangenheit ist. Der Titeltrack bezieht sich auf ihre Mutter, die schönste Frau in der Nähe des Van Leer-Kohlebergwerkes, in dem ihr Vater schuftete. "High On A Mountain Top" ist eine Erinnerung an ihre Jugend, die sie trotz aller Einschränkungen als glücklich beschreibt ("never made a lot of money, didn't have much, but we're high on life and rich in love"). "Story Of My Life" liefert eine prägende Zusammenfassung ihres abenteuerlichen Lebens: "I have to say that I've been blessed, not bad for this Kentucky girl I guess", lautet ihre Zusammenfassung.
Die rührendsten Momente gelten ihrem 1996 verstorbenen Mann Oliver "Doo", den sie 1948 als knappe Vierzehnjährige heiratete. "This Old House" handelt von ihm und den gemeinsamen sechs Kindern, der clevere Titel "Miss Being Mrs." dagegen von der Schwere des Verlusts ("Since you've been away from me my reflection in the mirror it's such a hurtful sight").
Neben persönlicher Erinnerungen zeigt sich Lynn auch von ihrer ironischen und kämpferischen Seite. "Women's Prison" handelt von einer zu Tode verurteilten Frau, die ihren Mann beim Fremdgehen erwischt und ihn erschießt. "Mrs. Leroy Brown" erzählt die Geschichte einer Frau, die es ebenfalls satt hat, von ihrem Mann betrogen zu werden, sein Konto plündert und mit einem rosa Cadillac in seine Lieblingsbar rauscht. "Honey, you don't have no mo'" lautet das Ende des Melodrams.
Viele hörenswerte Geschichten, zu denen sich noch weitere gesellen. Zwar überzeugt das musikalische Konzept nicht vollständig, trotzden ist Lynn und White mit "Van Lear Rose" ein besonderes Album gelungen. Dem hoffentlich weitere folgen werden.
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