laut.de-Kritik
Dem Punkrockgourmet bieten sie vor allem Vielseitigkeit.
Review von Mathias MöllerFat Wreck, die nächste. Das amerikanische Punklabel scheint in diesem Jahr so umtriebig wie nie. Heute auf der Speisekarte für den Punkrockgourmet: eine neue, hoffnungsvolle Band aus der Bay Area, die die Ehre besitzt, schon ihr Debütalbum auf Fat Mikes Superlabel herausbringen zu dürfen. Das klingt nach einer ganzen Menge Vorschusslorbeeren, mit denen Love Equals Death da überhäuft werden, denen sie auch vollkommen gerecht werden.
Düsterkeit verkündet das Cover, und auch der Titel "Nightmerica" lässt die Fantasie eher in Richtung Korn oder Manson denn in Richtung Punkrock schweifen. Doch das, was da mit "Bombs Over Brooklyn" ertönt, ist Punkrock in Reinkultur. Fast. Sänger Chon Travis' Stimme reibt sich wohlig unangenehm im Gehörgang, oft kurz vorm Überschlag. Er singt von den armen amerikanischen Kindern, die keine Zukunft haben. Aha, social consciousness, momentan gerne gesehen im Punkzirkus. Doch auch für ein Solo in klassischer Hardrock-/Southern Rock-Manier bleibt Zeit.
Melodic Punk-Chorgesänge und Backgroundgeshoute unterstützen bei "When We Fall" den afroamerikanischen Frontmann Travis, doch schon bei "Lottery" verlassen Love Equals Death den ausgetretenen Pfad des Dreiakkordgenres und finden sich auf einmal beim balladierenden Billy Idol wieder. Eine unterhaltsame und unerwartete Abwechslung, die die Jungs da in Petto haben. Und immer wieder geile, irgendwie punkuntypische, aber stimmige Soli ("Lottery"), Licks und innovative Bassläufe ("Sonora").
Und dann in "Black Rain" diese Referenz an "White Wedding". Ist da jemand vielleicht Billy-Idol-Fan? Zeit zum Sinnieren lassen Love Equals Death kaum, dass sie auch Klotzen können, stellen sie mit "V.O.C. (Voice Of Change)" unter Beweis, und das mit solcher Melodie, dass man sich unweigerlich an Bad Religion erinnert fühlt. Weiter gehts auf der Reise durch die Genregeschichte. Das stimmungsvolle "The Broadcast" wird geschmückt von Shout-Parts in bester DC-Tradition. Und wieder einmal muss der arme George Bush als Zielscheibe herhalten.
Diese Wandlungsfähigkeit macht "Nightmerica" zu einem erfrischend kurzweiligen Album. Das Bekenntnis zur Melodie erschöpft sich nicht in ein paar halbgaren Melody Punk-Stücken, sondern lässt Freiraum für Songs wie "Pray For Me", die die Möglichkeit zur Entfaltung durchaus brauchen. Von daher ist "Nightmerica" sicher nichts für Punkpuristen, wohl aber etwas für jemanden, der sich am Ende eines Albums voller Abwechslung auch noch ein Akustikstück mit Klavier reinfahren kann.
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