laut.de-Kritik

So genau will man es gar nicht wissen.

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Rap-Battles gewähren keinerlei Raum für Schwächen. Viele Vertreter des RaM- oder JBB-Kosmos haben es nie gewagt, den für den aggressiven Wettkampf nötigen Schutzschild abzunehmen, um persönliche Songs zu schreiben. Lumaraa hat sich trotz ihrer Ausflüge in Rap-Wettkämpfe nie davor gescheut, mit offenem Visier zu kämpfen. Schon auf ihrem verspielten Debütalbum "Mädchensache" zog sie 2012 in Songs wie "Mama" oder "Ich Bin Die Letzte" den Hörer ins Vertrauen. Mit "Zu Persönlich" erreichen die Einblicke in ihr Privatleben einen vorläufigen Höhepunkt.

"Alles, was ich heute bin, existiert nur, weil ich einmal sagte: Ich mach' einfach", resümiert sie im Titelsong ihren bisherigen Werdegang. Dabei umgeht sie weitgehend die gängigen Genre-Klischees. Zwar greift auch sie auf das etwa von Azad überstrapazierte Motiv des aufsteigenden Phoenix' zurück, doch wenn es um Statussymbole geht, bildet sie die eine Ausnahme unter 1.000 geldfixierten Rappern: "Keine Gedanken an Autos von Mercedes Benz mit elektrischem Schiebedach. Ich habe niemals gerappt wegen lilanen Scheinen." Erfrischend erfreut sie sich schlicht an ihrer Diskografie.

Auch die omnipräsenten Erfolgsstorys, mit denen ihre Kollegen auftrumpfen, scheinen ihr wie Felix Kummer ein Dorn im Auge zu sein: "Also laber' mich nicht voll mit dir und deinem Erfolg. Alles schön für dich, Happy-End, Diggi, bei dir läuft." Das Triumphgeheul verschlechtert Lumaraas ohnehin angeknackstes Gemüt: "Auf Insta seh'n mal wieder alle so perfekt aus, im Gegensatz zu meinen Schokoflecken und dem Speckbauch." Das harmlose, fast fröhliche Instrumental, zu dem sie ihren Unmut zum Besten gibt, zeugt jedoch davon, dass sie ihre miese "Laune" nicht allzu ernst nimmt.

Als wiederkehrendes Thema lässt sich die Rolle der Frau ausmachen. In "Woogirl" wehrt sie sich gegen die gesellschaftliche Vorstellung, wonach ein fehlendes Y-Chromosom sie dazu zwingt, in High Heels aufzulaufen, die InTouch zu lesen und sich bei Mädelsabenden den "Bachelor" anzusehen: "Wenn das euer Bild von 'ner Frau ist, bin ich keine Frau." Wie bei einigen Songs durchkreuzt leider der Refrain die gelungene Grundidee. Während sie inhaltlich gegen den Strich bürstet, trieft ihre Hook vor braver Gefälligkeit. Die Schärfe einer Babsi Tollwut stünde ihr hierbei besser zu Gesicht.

Während sich Lumaraa in "Woogirl" dem Make-up-Diktat widersetzt, trat sie 2014 in "Feinschliff" noch selbst auffällig geschminkt auf. Die Empowerment-Hymne setzt sie mit dem Song "Alles Was Passiert" fort, in dem es nun jedoch weniger darum geht, Autonomie zu gewinnen, als vielmehr mit Rückschlägen und Selbstzweifeln umzugehen. In diesem Rahmen lobt sie die zunehmende Sichtbarkeit von Rapperinnen: "Ich bin Lumaraa, nicht SXTN, nicht Loredana, und glaub' mir, ich freu' mich mies, denn im Gegensatz zu damals [...] haben weibliche MCs die Beachtung, die sie verdienen."

Zum Konzept von "Zu Persönlich" gehört für Lumaraa auch, ihrer Familie Lieder zu widmen. Die Leipzigerin bewegt sich dabei zwischen den Extremen. Nach einer klimpernd bohlenesken Eröffnung setzt sie in "Wenn Ich Könnte (Mamasong)" zum Loblied auf ihre Mutter an. "Du hast das größte Herz von allen hier auf dieser Erde." Dagegen offenbart "Mein Kleines Herz (Papasong)" ein vorbelastetes Verhältnis zu ihrem Vater. Ihre Vorwürfe fallen derart vage aus, dass sich der Rezipient problematischerweise alles darunter vorstellen kann: "Warum ist er so kalt zu mir? Ich war doch immer lieb zu ihm. Warum hat er mich nicht verschont?"

Das verstärkt sich noch weiter in "So Wie Du", einer Abrechnung mit ihrer älteren Schwester. Zu einem ruhigen Piano-Instrumental wirft sie ihr vor, "voller Hass und Intrigen" zu sein. Die Einordnung der kryptischen Verse bleibt aber unmöglich: "Du kennst die Wahrheit, wie kannst du noch in den Spiegel blicken?" Wenn sie dann noch die Kinder ins Spiel bringt ("Nicht mal für deine Tochter hast du Liebe übrig") wähnt sich der Hörer auf der anderen Seite einer Hecke, von wo aus er unabsichtlich den Nachbarschaftsstreit verfolgt, in den er unter keinen Umständen hineingezogen werden möchte.

In einer Zeit, in der sich junge Künstler an Belanglosigkeiten abarbeiten und sich zunehmend Interviews verweigern, stellen ihre intimen Einblicke nichtsdestotrotz einen lobenswerten Ansatz dar. "Zu persönlich, doch besser als oberflächliche Zeilen", fasst sie ihr viertes Album korrekt zusammen. Mit Ausnahme von "Lumaraa, Lumaraa" finden sich keine Battle-Rap-Spuren mehr. Und auch wenn Lumaraa mit der einen oder anderen Gesangseinlage daneben greift, fällt ihr poppiges Konzept aus dem immer ähnlicher werdenden Rahmen: "Das hier ist alles nur meins, denn das ist mein Geist."

Trackliste

  1. 1. Zu Persönlich
  2. 2. Vergessen
  3. 3. Weil Du Mein Zuhause Bist
  4. 4. Woogirl
  5. 5. Wenn Ich Könnte (Mamasong)
  6. 6. So Wie Du
  7. 7. Lumaraa, Lumaraa
  8. 8. Mein Kleines Herz (Papasong)
  9. 9. Laune
  10. 10. So Stark Wie Du
  11. 11. Seele
  12. 12. Alles Was Passiert

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