laut.de-Kritik
Aromatische und überraschungsarme Jazzkost.
Review von Kai KoppEs ist schon alles okay mit der Jazzkost, die Lyambiko serviert. Es schmeckt nach einem aromatischen Menü, an dem man wenig Anstoß nehmen kann und die massiven Erfolge, die die hübsche Sängerin seit ihrem Bühnendebüt anno 2000 feiert, sprechen eine deutliche Sprache.
Dennoch gehen die Meinungen zu Deutschlands Vorzeige-Vokalistin weit auseinander. So bescheinigt man ihr einerseits, noch nie so viel Charisma wie auf "Inner Sense" verströmt zu haben. Andererseits lässt man alle Resthoffnung fahren, doch noch Substanz und Profil bei ihr zu entdecken. Ja was nun?
Fest steht, das Lyambiko auf ihrem fünften Longplayer ihr Standard-Repertoire um eine ansehnliche Latte selbstkomponierter Songs erweitert. Die deutsch-afrikanische Sängerin steuert neben dem feurig-funkigen Opener "Inner Sense" das orientalisch angehauchte "Restless" bei. Ihre Crew, bestehend aus Marque Lowenthal (Piano), Robin Draganic (Bass) und Heinrich Köbberling (Drums), zeichnet für "A Fool's Paradise", "Windows Of The Past", "Winter Sun", "Non-Stop" und "Bangalore Local" verantwortlich. Der Berliner Saxophonist und Lyambiko-Verbündete Finn Wiesner übernimmt die Verantwortung für "Break Your Bread" und "Inside Outside".
Die Songs tragen, wenn sie nicht einfach als herkömmlicher Jazz aus den Boxen fließen, einen deutlichen Modern-Jazz-Charakter. In beiden Fällen bedeutet das, die Melodien entziehen sich einer gefälligen Linienführung und setzen einem allzu seichten Vocal-Jazz-Geplätscher etwas Widerborstiges entgegen. Das wäre an sich ja ganz lobenswert, wäre da nicht die vom "Jazzthing"-Autor Reinhard Köchl vertretene Meinung, Lyambiko stoße in beinahe jedem Song "an ihre stimmlichen Grenzen, sie nölt, presst und verkrampft". Dieser Einschätzung kann man durchaus folgen.
Ergänzt wird die "Inner Sense"-Tracklist von Ian Andersons (Jethro Tull) "Look Into The Sun", Freddie Mercurys (Queen) "Somebody To Love" und dem Benny Goodman-Gassenhauer "Stompin' At The Savoy". Allesamt Kompositionen und Interpretationen, die gebührend vor sich hin swingen und jazzen, samt durchaus wagemutiger Solo-Ausflüge. "Ältere Rotweintrinker mit Hochschulabschluss und ausgedünntem Haupthaar, deren Restrebellion sich im rhythmischen Wippen ihrer Bluejeansbeine ausdrückt", wie es die "Zeit"-Redakteurin Jutta Voigt formuliert, kommen voll auf ihre Kosten.
Nach mehrmaligem Hören, muss ich mich dem Miesepeter-Meinungsbild vorbehaltlos anschließen und auch der in Lyambikos Zusammenhang oft bemühte Vergleich, "ihr Gesang sei eine Reminiszenz an ihre großen Vorbilder Ella Fitzgerald, Sarah Vaughan und Billie Holiday" und ihr gerne beschriebenes "außergewöhnliches Talent für perfekte Intonation, Rhythmus, Dynamik und geschmackvolles Phrasing", vermögen es nicht, mich eines Besseren zu belehren. Aber das ist nur eine weitere Meinung, denn irgendwie ist schon alles okay mit der Jazzkost, die Lyambiko serviert.
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