laut.de-Kritik
Man steckt keine Axt in einen Schädel, verdammt noch mal!
Review von Dani FrommDen Hauptgrund, warum ich überhaupt keine Lust mehr habe, mich mit den Ergüssen aus dem Hause Aggro Berlin (wahlweise auch der G-Unit, deren Fans ticken offenbar ähnlich) zu befassen, bildet mittlerweile gar nicht mehr die Qualität des Materials. Nö, man ist ja Kummer gewohnt. Hauptsächlich gehen mir diese Veröffentlichungen deswegen so schwer auf den Sack, weil ich die daraufhin eintrudelnden Leserkommentare ganz ohne Kristallkugel mühelos prophezeie.
"Auf laut.de wird alles abgewatscht, das das Sägeblattlogo trägt." "Ihr schwulen Studenten, geht lieber Britney Spears hören." "Kann es sein, dass sich der deutsche Hip Hop an dir vorbei entwickelt hat?" Das alles in mehr oder weniger Freestyle-mäßiger Orthographie und Interpunktion: "Du weist noch nicht mal wie Hip Hip geschriben wird." (Sic!) Man wird mir wie üblich vorwerfen, ich habe MC Bogys Album gar nicht erst angehört.
Ach, stimmte das nur! Wieder einmal bedaure ich, mich in der gleichen Zeit nicht einfach mit Musik befasst zu haben. Wer Freude und Genuss daran findet, zwanzigmal den gleichen Track zu hören, in dem ein flowfreier, verkniffen übellauniger Zeitgenosse die Härte der Straßen Berlins zum Thema macht, dem sei "Willkommen In Abschaumcity" wärmstens ans Herz gelegt. "Ich bin kein Entertainer" - diesen Ausspruch aus "Zaster, Zaster" unterschreibe ich bedenkenlos. Von Unterhaltung kann wirklich keine Rede sein.
Stolze, kriegerische Gangster, Hustler, Atzen, Untergrundsoldaten und betont unartige Jungs bevölkern freud- und farblose Szenarien in der "Stadt, wo die Sonne böse lacht" und interessieren sich ausschließlich für "Macht, Fame, Sex, Schecks und gutes Fressen" - wie überaus neu und aufregend. "Es war nie bunt, wie bei Micky Maus", is' klar. Selbst nostalgische Ansätze ersticken im gewalttätigen, martialischen Einheitsbrei trüber Gangsterattitüden.
"Mach dir keinen Kopf, meine Eier sind dick." Dann bin ich ja beruhigt - und das liebeskrank angeschmachtete "Vorstadtmädchen" mit Sicherheit auch. Der einzige Ausbruch aus Street- und Battlerap setzt auf gesangliche Unterstützung von Shizoe und die unvermeidlichen Streicher, ohne die keine unglückliche Lovestory der Welt auskommt. Ansonsten gilt: "Es ist immer die gleiche Scheiße, aber wir bleiben hart, Soldaten bis auf den letzten Tag." Gähn.
"Ich hol' die Axt raus, Atze, und steck' sie in dein' Kopf." Mehr und mehr merke ich, wie mir mit Menschen, die von sich behaupten "Ich bin ein Dichter und Denker", "ein Straßenpoet" gar, die ihr Geld mit Worten verdienen wollen und dann ihr Vokabular nicht im Griff haben, schlicht und ergreifend die Geduld ausgeht. Man "steckt" vielleicht einen Fünfer ins Schweinderl oder den Schwanz in seine Ische - aber sicher keine Axt in einen Schädel, verdammt noch mal!
Inhaltlich nichts Neues aus Berlin, also. Die Abwechslung kommt, wie so oft, über die Beats. B-Lash leistet ordentliche Arbeit. Dicke Bässe, keine überfrachteten Arrangements, statt dessen übersichtliche, klare Strukturen - damit lässt sich arbeiten. Hübsch breit kommt "Faust Hoch" daher. Ebenso sprechen die finsteren, orgelnden Sounds aus "Jetzt Sprechen Die Waffen", die Percussion aus "Nicht Alles" oder die schrägen Streicher, die "Zaster, Zaster" untermalen, bestens an.
"Willkommen In Abschaumcity" heißt uns ein Beitrag der Beathoavenz. Phrequincys dicke Drums fürchten zu Recht "Keine Konkurrenz" - mit Ausnahme vielleicht des Instrumentals zu "Rap Veteran", das Kay-Zer aus knarzigen Klängen und sämtlichen Rhythmus-Effekten eines Alleinunterhalterkeyboards zusammenschustert. Ohne Beteiligung von B-Tight und Basstard hätte mir die Nummer vielleicht sogar gefallen.
Die Behauptung, der Beat zu "Gangsterboogie" (übrigens der einzigen Nummer, die mich tatsächlich zum Lachen brachte) sei auf B-Lashs Mist gewachsen: Well, well, well ... Reicht es jetzt schon für eine Urheberschaft, ein wenig am Pitchregler zu drehen? Historisch interessiertes oder schlicht etwas älteres Publikum wird diese Nummer aus dem Jahr 1982 unter dem Titel "Last Night A DJ Saved My Life" kennen. Nichtsdestotrotz: Ein ausnahmsweise recht witziger Einfall, sich dieses alten Hits zu bemächtigen: "Ganz Berlin tanzt den Gangsterboogie." Doch, das stelle ich mir in der Tat ausgesprochen stylisch vor.
Solides Handwerk liefert DJ Craft an den Turntables ab, wohingegen mich die zahlreichen Features kaum zu Begeisterungsstürmen verleiten. Problemkind gefällt mir da noch am besten. Im Gegensatz zu Bogy, der weitgehend gebremst und eintönig seinen Text abreißt, bringt der junge Kollege doch ein wenig Energie und Schwung in die Soße. Deso Dogg und B-Lash machen in "Wir Sind Das As" ungeachtet der schauderhaft gesungenen Hookline gute Figuren, während man Massiv ("Jetzt Sprechen Die Waffen") am liebsten einen Inhalator reichen möchte.
An welcher Garderobe Sido seinen Witz von einst abgegeben hat, frage ich mich ja bereits seit längerer Zeit. Frauenarzt, MOK und wie sie alle heißen, sorgen für keinerlei Überraschungsmomente. Einen wahren Lichtblick stellt dagegen das Wiedersehen mit Kool G Rap in "China White" dar - meiner Meinung nach der einzige Teilnehmer, der sich den Titel "Rapveteran" mit Recht an die Brust heftet.
Nach allerlei unchristlichem Brutalogehabe wird dann in "Verloren" (zu zugegeben sehr, sehr packendem Piano) noch schnell der Herrgott angefleht: "Ich bin ein Bösewicht. Gott, erlöse mich." Ja, mich bitte auch!
Doch vor das Paradies haben die Architekten der Ewigkeit das Fegefeuer gesetzt: Ausnahmsweise widme ich an dieser Stelle einmal der Premium-Edition ein paar Worte. Die besten Beats, der einsame Track, der mich wirklich geflasht hat, und somit die wenigen Gründe, warum man "Abschaumcity" vielleicht doch erwerben sollte, finden sich nämlich auf der Bonus-CD der Luxus-Ausgabe.
Frauenarzt eröffnet mit tropfendem Wasser und verpasst "Westberlin Ist Mein Bario" dann die volle akustische Breitseite. Mann, Mann, der Kerl sollte sich lieber aufs Produzieren verlegen, denn auf das Erteilen von Moderatschlägen: Schwer basslastig gerät zudem sein Synthiemonster, das das ansonsten unerträgliche "T-Shirt & Jeans" begleitet. Isar versieht den Remix zu "Hustler" mit melodie-geschwängerten Reimen.
Solches hört man gerne, ebenso den gefühlvollen, melancholischen Rahmen, den Amun "Nur Die Guten Sterben Jung" verpasst. Das ausgelutschte Gewitter und der Regen, den ich seit "November Rain"-Zeiten gründlich satt habe, wären hier gar nicht nötig gewesen. Mit "Steif Wie Sau" liefen die Herren schließlich einen Kiffersong erster Güte: "So lange das Gras grün ist, ist der Himmel blau", und so lange ein Bass derart lässig groovt, wie dieser von Supafunk, tun übersichtliche Rapskills gleich weniger weh.
447 Kommentare
Zitat (« Man "steckt" vielleicht einen Fünfer ins Schweinderl oder den Schwanz in seine Ische - aber sicher keine Axt in einen Schädel »):
Ein Satz für die Ewigkeit.
Der vielleicht grandioseste Aggro-Verriss ever!
Freddy for President!
Was den verlorengeglaubten Witz Sidos angeht, frag ich mich allerdings ernsthaft, ob es nicht sein kann, dass der gar nie witzig war, sondern alle das nur dachten solange sie im Glauben waren, der Scheiß sei satirisch gemeint...
Ja, der hat was verrissen
*Popcorn hol*
*auf A doppel G R O Kommentare wart*
@Rower (« Willkommen Musikinustrie am Zenit der schlechten Musik von so genannten Rapper aus dem Abschaum. »):
@Rower (« Deutsch nicht gleich Deutsch. »):
@Rower (« Bitte lerne Deutsch und dann reden wir weiter »):
AAAAAAHHHAAAAAAAAAAHHHHAAAAAAAAA
Grammatik und so
Geiler Thread
ich feier es immernoch.