laut.de-Kritik
Wenn Punk-Hymnen zu dubbigen Kopfnickern werden.
Review von Christian KollaschIn der Musik stellt es oft ein großes Wagnis dar, bekannte Songs in ein anderes Genre zu konvertieren. Dass sowas in einer mittelschweren Katastrophe enden kann, bewies beispielsweise Heino mit seinem ungeheuerlichen Machwerk "Mit Freundlichen Grüßen", dessen Schlager-Bastarde wohl niemand ernst genommen hat. Auf der anderen Seite stehen durchaus positive Beispiele, wie Bands berühmten Klassikern ihren eigenen Stempel aufdrücken. An dieser Stelle wären die äußerst gelungenen Nirvana-Coveralben "Whatever Nevermind" und "In Utero, In Tribute, in Entirety" zu nennen, auf denen Künstler wie Kylesa und Jay Reatard die Grunge-Perlen neu aufleben lassen.
Mit ihrer zehnten LP versuchen sich nun auch die Mad Caddies an einem reinen Coveralbum, auf dem sie Punk-Hymnen aus mehreren Dekaden in ein neues Gewand hüllen. Eine Monstrosität wie von Heino muss man bei "Punk Rocksteady" nicht befürchten. Das liegt daran, dass sich die Ska-Punker aus Kalifornien vorgenommen haben, die Songs von Genre-Größen wie The Misfits, NOFX und Green Day als sommerliche Reggae-Tunes zu interpretieren. Punk und Reggae gehen schon von Natur aus wunderbar zusammen, weshalb sich die Mad Caddies hier auf sicherem Terrain bewegen.
Den Beweis, dass ihr Konzept aufgehen kann, liefern die Caddies gleich mit dem Opener "Sorrow", einer Nummer von Bad Religion. Schon das Original macht mit einem stark an The Police angelehnten Intro seine jamaikanischen Einflüsse klar. Die Mad Caddies gehen diesen Weg konsequent weiter und verwandeln die temporeiche Vorlage in einen recht sorglosen Feel-Good-Song. Orgel, Bläser und der 4/4-Rhythmus bestärken dabei die Urlaubsstimmung. Anschließend knöpfen sich die Mad Caddies den Song "Sleep Long" der Ska-Punk-Urgesteine Operation Ivy vor. Zusammen mit dem Londoner Rapper Joshua Waters Rudge von The Skints machen die Caddies aus dem rotzigen Highspeed-Original einen dubbigen Kopfnicker. Ein Cover, das funktioniert, da es die Vorlage um eine Variante bereichert, die auch alleinstehend einen guten Song abgibt.
Jedoch geht das Vorhaben der Caddies bei anderen Songs auch mal gehörig daneben. Bei "She" von Green Day wirkt das Reggae-Kostüm leider völlig aufgesetzt und uninspiriert. Vom lässigen Charme des Originals fehlt jede Spur. Zudem wirkt der Gesang von Chuck Robertson hier so, als hätte ein spitzfindiger Produzent gerade das Konzept einer Reggae-Boyband verwirklicht. Auch bei der Misfits-Nummer "Some Kinda Hate" vermisst man eher das simple Riff und Glenn Danzigs Gesang im Original, als dass man sich auf die Jamaika-Version einlassen möchte. Das "Whooaa" im Refrain hätten die Caddies nicht schnarchiger rüberbringen können. Liebhaber der Horrorpunk-Ikonen dürften das schon frech finden.
Die Mad Caddies reißen das Ruder aber mit anderen Neuvertonungen wieder herum. Das Cover von Tony Slys "AM" bewegt sich nicht allzu weit vom Original weg und versprüht mit einer wunderschönen Bläser-Sektion gegen Ende des Songs den Vibe einer lauen Sommernacht. Lagwagons "Alien 8" kommt als Reggae-Track zwar nicht über den Durchschnitt hinaus, liefert aber entspannte Kost für den nächsten Aufenthalt am See.
Gleiches gilt auch für den Schlusspunkt "Take Me Home (Piss Off)", den sich die Band von Snuff borgt. Hier erschaffen die Mad Caddies auch keinen bahnbrechende Crossover-Hit, sondern halten sich brav an ihre Reggae-Entschleunigungsformel mit ordentlich Bläser- und Orgeleinschub. Das tun sie aber mit einer spürbaren Spielfreude und Liebe zum Detail, dass man ihnen so manche Ideenlosigkeit gerne mal durchgehen lassen möchte.
Am Ende stellt sich "Punk Rocksteady" als ein interessantes Reggae-Punk-Poutpourri heraus, das vor keiner Ära halt macht und so manchen Klassiker auch mal an die Wand fährt. Wenn die Gleichung jedoch aufgeht, produzieren die Mad Caddies äußerst hörenswerte Genre-Mixe, die den musikalischen Perspektivenwechsel auf jeden Fall rechtfertigen. Das Wagnis, das die Mad Caddies eingegangen sind, hat sich unterm Strich gelohnt.
2 Kommentare
Man bekommt genau das, was draufsteht: Alte Punkkracher im sommerlichen Gewand. Das geht nicht mehr so wild und rauh zu wie auf frühereren Werken, aber macht dennoch viel Spaß!
Ein bisschen zu gemächlich. Aber "Sorrow" & "She" machen richtig Laune. "Some Kinda Hate" klingt ungewohnt aber cool.